Paris/Frankfurt (Reuters) – Das Inflationsgespenst im Euro-Raum verliert allmählich seinen Schrecken und befeuert damit Zinssenkungsfantasien.
In Frankreich stabilisierte sich der Preisauftrieb im März überraschend auf niedrigem Niveau bei einer Inflationsrate von 0,9 Prozent. In Spanien gab er sogar deutlich nach: Die für europäische Vergleichszwecke berechnete Teuerungsrate (HVPI) ging nach Daten vom Freitag im März auf 2,2 von 2,9 Prozent im Februar zurück. Die Europäische Zentralbank (EZB), die Mitte April über den Leitzins entscheidet, hat nun ihr Inflationsziel von zwei Prozent für den Euro-Raum dicht vor Augen.
“Wir haben gute Nachrichten zur Inflation”, sagte EZB-Vizechef Luis de Guindos bei einer Veranstaltung in Spanien per Videoschalte und fügte an: “Wir sind überzeugt, dass wir in den nächsten Quartalen unsere Definition von Preisstabilität, die bei zwei Prozent liegt, nachhaltig erreichen werden.”
Auch Bundesbank-Präsident Joachim Nagel äußerte sich positiv. Die jüngsten Zahlen aus einzelnen Euro-Ländern seien “durchaus ermutigend”, sagte er am Freitag auf einer Bundesbank-Veranstaltung in Frankfurt. “Und das ist ja wirklich ‘good news’, dass wir auf gutem Wege sind, Preisstabilität möglicherweise noch in diesem Jahr zu erreichen”, fügte er hinzu. Nagel warnte aber unter Hinweis auf ein sehr durch Unsicherheiten gekennzeichnetes Umfeld vor Überoptimismus.
Mit den jüngsten Daten steuern die Frankfurter Währungshüter auf einen wichtigen Etappensieg im Kampf gegen die lange Zeit überhöhte Inflation zu, die zwischenzeitlich sogar zweistellig war: Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und im Zuge hochschnellender Energiepreise war der Höchstwert der Inflation im Oktober 2022 mit einer Rate von 10,6 Prozent erreicht.
Die EZB hatte ihren Leitzins zuletzt Anfang des Monats um einen Viertelprozentpunkt gesenkt. Der Einlagensatz liegt seither bei 2,50 Prozent. Für den am 17. April anstehenden Zinsentscheid taxieren die Finanzmärkte die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Senkung mittlerweile auf über 90 Prozent.
Die Verbraucher rechnen derzeit damit, dass die Teuerungsrate kurzfristig über dem Ziel der EZB liegen wird. Laut einer Umfrage der Notenbank erwarten die Konsumenten im Februar wie bereits zu Jahresbeginn, dass die Rate auf Zwölf-Monats-Sicht bei 2,6 Prozent liegen wird. Die jeden Monat erhobenen Daten zu den Inflationserwartungen der Verbraucher liefern der EZB wertvolle Anhaltspunkte zur Entwicklung der Inflation in der Euro-Zone.
BAHN FREI FÜR ZINSSENKUNGEN?
Die Verbraucherpreisdaten für März stehen am Dienstag an: Von Reuters befragte Experten erwarten, dass sich die Teuerungsrate im Euro-Raum im März bei 2,3 Prozent einpendeln wird. Chefökonom Daniel Hartmann von der Bantleon AG sieht sich durch die Inflationsdaten aus Frankreich und Spanien indes in der Überzeugung bestärkt, dass die Rate im Euro-Raum im März gesunken ist – und zwar auf 2,2 nach 2,3 Prozent im Februar. Mit Spannung blicken die Experten nun auf die Verbraucherpreisdaten aus Deutschland, die am Montag vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht werden: Hierzulande wird beim HVPI ein Rückgang auf 2,4 von 2,6 Prozent im Februar erwartet.
Ein Rückgang der Teuerung in der größten Volkswirtschaft der Euro-Zone wäre frohe Kunde für die EZB: Der französische Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau hält weitere Zinssenkungen der EZB bis auf ein Niveau von rund zwei Prozent im Laufe des Sommers für möglich.
(Bericht von Kate Entringer, Francesco Canepa, Frank Siebelt; Geschrieben von Reinhard Becker, Mitarbeit Rene Wagner; Redigiert von Sabine Ehrhardt; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)