Beirut (Reuters) – Trotz einer Waffenruhe hat das israelische Militär erneut den Süden Beiruts angegriffen und dabei nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums mindestens vier Menschen getötet.
Nach Angaben des israelischen Militärs galt der Luftangriff am Dienstag Hassan Bdeir, einem Mitglied der radikal-islamischen Hisbollah. Er habe kürzlich der palästinensischen Hamas bei der Planung eines “nicht unerheblichen und kurz bevorstehenden Terrorangriff auf die israelische Zivilbevölkerung” geholfen. Es war der zweite israelische Angriff auf als Hisbollah-Hochburg bekannte Beiruter Vororte binnen weniger Tage.
Libanons Führung warf Israel eine zunehmende Aggression vor und verurteilte den jüngsten Luftangriff als eklatanten Verstoß gegen die im November vereinbarte Waffenruhe. Aus Sicherheitskreisen verlautete, dass unter den Toten auch eine Frau war. Sieben Menschen seien bei dem Angriff verletzt worden. Es habe eine ernstzunehmende und unmittelbare Gefahr bestanden, sagte Israels Außenminister Gideon Saar. “Wir erwarten, dass der Libanon Maßnahmen ergreift, um terroristische Organisationen, die innerhalb seiner Grenzen gegen Israel vorgehen, zu zerschlagen.”
Israels wichtigster Verbündeter, die USA, erklärte, Israel verteidige sich gegen Raketenangriffe aus dem Libanon. “Die Feindseligkeiten haben wieder begonnen, weil Terroristen Raketen aus dem Libanon auf Israel abgefeuert haben”, schrieb ein Sprecher des Außenministeriums in einer E-Mail und fügte hinzu, dass die US-Regierung Israels Vorgehen unterstütze. Die Hisbollah bestreitet jegliche Beteiligung an den Raketenangriffen. Der israelische Angriff käme einer großen und schweren Aggression gleich, die eine völlig neue Eskalationsstufe erreicht habe, sagte der Hisbollah-Abgeordnete Ibrahim Moussawi nach dem Besuch des getroffenen Gebäudes. Er forderte den libanesischen Staat auf, auf höchster diplomatischer Ebene nach Lösungen zu suchen.
OFFENBAR GEZIELTER SCHLAG
Der Angriff am Dienstag beschädigte nach Angaben eines Reuters-Reporters vor Ort offenbar die oberen drei Stockwerke eines Gebäudes. Die Fensterscheiben der darunterliegenden Stockwerke blieben intakt, was auf einen gezielten Schlag hindeutet. Rettungswagen waren vor Ort, um Opfer zu bergen. Zeugen zufolge wurde keine Evakuierungswarnung für das Gebiet vor dem Angriff ausgegeben. Familien seien nach dem Angriff in andere Teile Beiruts geflohen.
Schon vorher wirkte die Waffenruhe zunehmend brüchig. Israel verzögerte im Januar einen zugesagten Truppenabzug und erklärte im März, Raketen aus dem Libanon abgefangen zu haben. Es folgten Bombardierungen in den südlichen Vororten Beiruts und im Südlibanon. Der israelisch-libanesische Konflikt wurde durch den Gaza-Krieg im Oktober 2023 ausgelöst, als die Hisbollah begann, vom Libanon aus Raketen auf israelische Militärstellungen zu feuern, um die mit ihr verbündete Hamas zu unterstützen. Dabei kamen nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums vom November mindestens 3768 Menschen ums Leben. Mehr als eine Million Menschen wurden vertrieben.
(Bericht von Laila Bassam, Maya Gebeily, Ahmed Al Kerdi, Enas Alashray und Tala Ramadan, geschrieben von Christian Rüttger und Kerstin Dörr.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)