– von Colleen Howe und Sudip Kar-Gupta und Bart H. Meijer
Brüssel/Peking/Berlin (Reuters) – Nach der überraschenden Wende im weltweiten Handelskrieg zeichnet sich eine weitere Entspannung ab.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte am Donnerstag an, die für den 15. April geplanten ersten Gegenmaßnahmen auf US-Sonderzölle für 90 Tage auszusetzen. Das soll Zeit für Verhandlungen mit der Regierung von US-Präsident Donald Trump geben. Der Zollstreit der USA mit China schaukelte sich dagegen weiter hoch. Anders als zuletzt reagierte die Regierung in Peking aber nicht umgehend mit Gegenmaßnahmen, sondern beließ es bei verbalen Reaktionen. Top-Ökonomen rechnen nicht damit, dass die Strategie von Trump aufgehen wird.
Von der Leyen signalisierte für die EU Verhandlungsbereitschaft. Es blieben jedoch alle Optionen auf dem Tisch. Trump hatte zuvor überraschend eine 90-tägige Aussetzung der pauschalen 20-Prozent-Zölle der USA verkündet, die erst am Mittwoch in Kraft getreten waren. Von der Leyen hatte dies einen wichtigen Schritt zur Stabilisierung der Weltwirtschaft genannt. In Kraft bleibt aber ein neuer Basiszoll der USA in Höhe von zehn Prozent, zudem 25 Prozent auf Autos, Stahl und Aluminium aus Europa. Von der Leyen ergänzte, die EU werde weiter an Gegenmaßnahmen arbeiten, um vorbereitet zu sein, sollten die Verhandlungen scheitern.
Die EU hatte am Mittwoch erste, aber noch moderate Gegenzölle beschlossen, um auf die Handelshürden in der Stahl- und Aluminiumbranche zu reagieren. Sie sollten schrittweise in den nächsten Monaten in Kraft treten. Die pauschalen 20-Prozent-Zölle hatte die EU noch nicht gekontert, gleiches gilt für die Auto-Zölle. Trump hat nach eigenen Angaben bei der Zollpause Länder bevorzugt, die nicht scharf auf seine Angriffe reagiert hätten. Trump hatte zuvor eine Kehrtwende trotz der Turbulenzen an den Börsen ausgeschlossen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach von einer guten Nachricht. Es sei bereits viel Vertrauen der Wirtschaft und der amerikanischen Handelspartner zerstört worden. “Die Folgen einer tatsächlichen Einführung wären verheerend, besonders auch für die USA.” Es brauche jetzt eine Verhandlungslösung, so der Grünen-Politiker. Die EU-Kommission agiere besonnen und klug. “Es gibt das klare Ziel, zusätzliche Zölle so weit wie möglich zu verhindern.” Die EU könne ihre Stärke nur gemeinsam ausspielen.
USA GLAUBEN AN VERHANDLUNGSERFOLGE
Die USA sind laut Trumps Wirtschaftsberater Kevin Hassett mit zahlreichen Ländern in Gesprächen. Man sei in einigen Fällen auf der Ziellinie. Teilweise wurden auch schon mehr Einfuhren aus den USA zugesagt. Die Regierung von Vietnam teilte zum Beispiel nun mit, mit den USA Gespräche über ein Handelsabkommen aufzunehmen. Dabei werde es auch um die Beseitigung möglichst vieler nicht-monetärer Handelshemmnisse gehen. Vietnam werde zudem Investitionen von US-Investoren erleichtern und seinen Kampf gegen Handelsbetrug verstärken. Das südostasiatische Land, das für viele westliche Unternehmen ein wichtiger Produktionsstandort ist, hatte im vergangenen Jahr einen Überschuss von mehr als 123 Milliarden Dollar im Handel mit den USA. Trump hatte Vietnam vor der plötzlichen Pausierung seiner Zölle mit Sätzen in Höhe von 46 Prozent belegt.
Trump will mit den Zöllen auch Konzerne dazu bewegen, mehr Aktivitäten in die USA zu verlagern, wo er zusätzlich mit niedrigen Steuern und weniger Regulierung lockt. Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen aber nicht mit einer größeren Abwanderung. “Die USA verfolgen keine durchdachte Strategie”, sagte Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Investitionsentscheidungen würden nun eher aufgeschoben. “Wenn man dann gleichzeitig noch Menschen in großer Zahl aus dem Land verweist, dann fehlen auch die Arbeitskräfte.” Die US-Regierung hinterlasse mit ihrer Politik einen “riesigen Scherbenhaufen”. Die Ökonomen warnten zudem davor, sich statt der USA zu stark China zuzuwenden. Es brauche mehr Freihandelsabkommen mit anderen Ländern, sagte Ifo-Experte Timo Wollmershäuser.
CHINA WEITER IM VISIER
Für China setzte Trump die neuen Zölle nicht aus, sondern stockte sie sogar weiter auf. Die Importzölle der USA wurden von 104 auf 125 Prozent erhöht. Ab Donnerstag sollten auch die von China geplanten Gegenzölle auf US-Waren in Kraft treten. Sie decken aber noch nicht die jüngste Erhöhung der USA ab. Hier könnte die Regierung in Peking noch nachlegen. Das chinesische Handelsministerium verbat sich Druck, Drohungen oder Erpressung. So könne man mit China nicht umgehen. Grundsätzlich sei die Volksrepublik bereit für Gespräche, werde aber notfalls bis zum Ende für ihre Interessen kämpfen. Das Außenministerium betonte, die USA nicht zu fürchten. Das US-Vorgehen sei zum Scheitern verurteilt. Trump hatte angedeutet, dass aus seiner Sicht noch eine Einigung mit China möglich sei.
Von der Leyen erklärte auch, Zölle schadeten Unternehmen und Konsumenten. Deswegen setze sich die EU-Kommission für einen kompletten Abbau aller Zölle auf beiden Seiten des Atlantiks ein. Das hatte Trump zuletzt aber abgelehnt. Die EU erwägt als Reaktion auf die Zölle, ihre Erdgasimporte aus den Vereinigten Staaten nach oben zu schrauben. Das sagte EU-Energiekommissar Dan Jorgensen in einem Interview der “Financial Times”. Trump hat genau das gefordert, um das Handelsdefizit der USA gegenüber der EU auszugleichen.
(Mitarbeit von Christian Krämer und Rene Wagner, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)