Kursrally nach Trumps Zoll-Volte – China-Sorgen bleiben

– von Hakan Ersen

Frankfurt (Reuters) – Die überraschende Wende in der US-Zollpolitik hat am Donnerstag eine weltweite Erleichterungsrally ausgelöst.

Der eskalierende Streit zwischen den USA und China bereitete Anlegern allerdings weiterhin Kopfschmerzen. “Heute heißt es an den Aktienmärkten erst einmal durchatmen und die Krone richten”, sagte Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG. “Allerdings ist damit die Diskussion über die Zölle und den neuen Handelskrieg nicht vom Tisch.”

Der Dax stieg am Vormittag um bis zu 8,3 Prozent, so stark wie zuletzt vor fünf Jahren. Am Abend lag er noch 4,5 Prozent im Plus bei 20.562,73 Punkten und verbuchte den größten Tagesgewinn seit drei Jahren. Gleiches galt für den EuroStoxx50, der 4,3 Prozent auf 4818,92 Zähler zulegte. Zu den größten Gewinnern zählten die Technologie- und Finanzwerte, die in den vergangenen Tagen besonders stark unter die Räder gekommen waren. An der Wall Street machten einige Investoren als Reaktion auf die Rally am Mittwochabend dagegen Kasse. Der US-Aktienindex Dow Jones büßte knapp vier Prozent ein.

US-Präsident Donald Trump hat die erst kürzlich verhängten Zölle auf Einfuhren größtenteils ausgesetzt. Die Abgaben auf chinesische Importe hob Trump dagegen auf 125 Prozent an. “Solange dieser Konflikt anhält, ist unklar, ob eine weltweite Rezession oder Abkühlung der Konjunktur vermieden werden kann, betonte Analyst Piotr Matys vom Anlageberater InTouch.

DOLLAR UND YUAN UNTER DRUCK

Die Verunsicherung der Anleger ließ sich unter anderem an der erneuten Abwertung der US-Währung ablesen. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, fiel um 1,8 Prozent. “Investoren stellen die Glaubwürdigkeit einer Regierung infrage, die bei ihrem größten Vorhaben eine Kehrtwende vollzieht”, kritisierte Martin Whetton, Chef-Anlagestratege der Westpac Bank.

Gleichzeitig fiel der Kurs des Yuan auf den niedrigsten Stand seit 2007. Allerdings verzichtete die chinesische Notenbank bislang auf eine deutliche Abwertung der nicht komplett frei handelbaren Währung. Sie würde zwar die Belastungen durch die US-Zölle abmildern, birgt aber die Gefahr ungewollter Kapitalabflüsse.

GEGENSÄTZLICHE KURSENTWICKLUNGEN BEI ROHSTOFFEN

Am Rohstoffmarkt nutzten Anleger die jüngsten Kursverluste bei Kupfer zum Wiedereinstieg. Dies trieb den Preis des Industriemetalls 4,6 Prozent in die Höhe auf 9006 Dollar je Tonne. Dabei handele es sich angesichts des ungelösten Konflikts zwischen den USA und dem weltgrößten Kupfer-Abnehmer China aber um ein Strohfeuer, betonte Analyst Carsten Menke von der Bank Julius Bär. Aus diesem Grund konnte Rohöl seine Rally vom Mittwoch nicht fortsetzen. Die Sorte Brent aus der Nordsee gab knapp vier Prozent auf 62,96 Dollar je Barrel (159 Liter) nach.

Unverändert beliebt war dagegen der “sichere Anlagehafen” Gold. Das Edelmetall verteuerte sich um 2,4 Prozent auf 3155 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). “Ich prognostiziere einen Preis von 3600 Dollar innerhalb der nächsten zwölf Monate”, sagte Analyst Nitesh Shah vom Fondsanbieter WisdomTree. “Aber auch 4000 Dollar würden mich nicht überraschen.

TRÜBE AUSBLICKE BELASTEN TESCO UND BARRY CALLEBAUT

Gegen den allgemeinen Aufwärtstrend an den Aktienbörsen rutschten die Titel von Tesco in London um gut sechs Prozent ab. Die größte britische Supermarktkette warnte wegen eines drohenden Preiskriegs vor rückläufigen Gewinnen. “Tesco gibt dem Markt ein klares Signal, dass es zu einem Kampf bereit ist”, sagte Analyst Clive Black vom Vermögensverwalter Shore.

In Zürich brachen die Papiere von Barry Callebaut sogar um mehr als 21 Prozent ein, so stark wie noch nie. Der weltgrößte Schokoladen-Hersteller rechnet wegen rasant gestiegener Kakaopreise mit einem Absatz-Rückgang. Die Belastungen durch die Kursturbulenzen bei diesem Rohstoff seien größer als befürchtet, sagte Analyst Jon Cox vom Vermögensberater Kepler Cheuvreux. Der Kurs des Londoner Kakao-Futures hatte sich zwischen September 2024 und Januar 2025 auf etwa 10.000 Pfund je Tonne verdoppelt.

(Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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