China hält Wachstumstempo hoch – Doch mit Zollkrieg drohen Bremsspuren

Peking (Reuters) – Chinas Wirtschaft ist kurz vor der Eskalation im Handelsstreit mit den USA überraschend kräftig gewachsen.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Januar bis März um 5,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu, wie das Statistikamt in Peking am Mittwoch mitteilte. Damit wurde exakt das Ende 2024 erreichte Wachstumstempo gehalten. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem BIP-Zuwachs von 5,1 Prozent gerechnet. Gemessen am Vorquartal legte die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt um 1,2 Prozent zu.

Ökonomen sprachen von einem sehr guten Jahresauftakt. “Die staatlichen Anreize haben den Konsum angekurbelt und die Investitionen gestützt”, sagte Analyst Xu Tianchen von der Economist Intelligence Unit. Er verwies aber zugleich darauf, dass der Auftakt auch in den beiden Vorjahren gut gewesen sei – das Tempo dann aber im Frühjahr nicht gehalten werden konnte.

US-Präsident Donald Trump hat kurz nach seinem Amtsantritt Mitte Januar Sonderzölle auf chinesische Waren verhängt und die Importabgaben dann Anfang April bis auf 145 Prozent heraufgesetzt, worauf China mit Gegenzöllen von 125 Prozent auf US-Waren reagierte. Hohe US-Zölle für Elektronikprodukte wie Smartphones und Computer wurden inzwischen vorübergehend wieder fallengelassen, dennoch dürfte das den Exportweltmeister hart treffen.

Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank verweist darauf, dass starke Vorzieheffekte im Exportsektor zur kräftigen Wachstumsrate der chinesischen Wirtschaft in den ersten drei Monaten beigetragen haben. Vor der Eskalation in dem Handelskrieg hatten die chinesischen Exporteure ihre Lieferungen in alle Welt stark gesteigert – so auch in die USA. Durch den Handelskonflikt mit den Vereinigten Staaten wird die Wirtschaft im Reich der Mitte nach Ansicht Hepperles nun schweren Zeiten entgegensteuern: “Im zweiten Quartal dürften tiefe Bremsspuren sichtbar werden.”

“ZOLLSCHOCK”

Die chinesische Regierung strebt für das laufende Jahr erneut ein Wachstum von rund fünf Prozent an. Ob das erreicht wird, ist angesichts des Zollkonflikts mit den USA fraglich. Die US-Großbank Goldman Sachs senkte ihre Prognose für den BIP-Anstieg in diesem Jahr von 4,5 auf 4,0 Prozent, während die Experten der Schweizer Großbank UBS sogar nur 3,4 Prozent erwarten. “Der Zollschock sorgt für nie dagewesene Herausforderungen für die chinesischen Exporte”, so die UBS-Analysten.

NEUER UNTERHÄNDLER

Die Welthandelsorganisation (WTO) wiederum warnt, dass der Handelsstreit zwischen China und den USA den Warenverkehr zwischen Staaten um bis zu 80 Prozent einschränken und die globale Konjunktur stark beeinträchtigen könne. Trump ist laut dem US-Präsidialamt einem Handelsabkommen mit China gegenüber aufgeschlossen. Peking müsse jedoch den ersten Schritt machen. Der Ball liege im Feld Chinas.

Die Regierung in Peking hat nun einen neuen Unterhändler ernannt, der bei Gesprächen zur Lösung des Zollkriegs mit den USA eine Schlüsselrolle spielen dürfte. Der bisherige Handelsbeauftragte Wang Shouwen wird laut offiziellen Angaben durch den Gesandten des Landes bei der WTO, Li Chenggang, ersetzt. Wang galt als harter Verhandler und war bei früheren Treffen mit US-Vertretern aneinandergeraten, wie Insider in Peking erläuterten.

Auch Li hatte die USA scharf kritisiert: Bei einem WTO-Treffen im Februar in Genf warf er den Vereinigten Staaten vor, ihren Handelspartnern, auch China, willkürlich Zölle aufzuerlegen. Er warnte, derartige Maßnahmen hätten weltweit “Zollschocks” ausgelöst. Der unilaterale Ansatz der USA verstoße eklatant gegen die WTO-Regeln, verschärfe die wirtschaftliche Unsicherheit, störe den Welthandel und könne sogar das regelbasierte multilaterale Handelssystem untergraben.

(Bericht von Kevin Yao und Yukun Zhang, Ethan Wang, Xiuhao Chen, Eduardo Baptista, Ryan Woo, geschrieben von Reinhard Becker und Rene Wagner, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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