Frankfurt (Reuters) – Vor dem Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) haben die Anleger am Donnerstag Vorsicht walten lassen.
Der deutsche Leitindex verlor 0,5 Prozent auf 21.195 Punkte, der EuroStoxx50 gab 0,7 Prozent nach. Die Investoren rechneten zwar fest mit einer weiteren Lockerung der Geldpolitik, doch Euphorie darüber war nicht zu spüren. Die Zinssenkung sei die Folge eines sich weiter abschwächenden Wachstums in Europa, resümierte Jürgen Molnar von RoboMarkets. Zudem könne sie – wenn überhaupt – nur eine kleine Abfederung dessen sein, “was in diesen Tagen aus Washington über den großen Teich in Sachen Handelspolitik zu uns herüberschwappt”.
Experten prognostizieren, dass die Währungshüter inmitten des von US-Präsident Donald Trump losgetreten Zollkonflikts den maßgeblichen Einlagensatz um 0,25 Prozentpunkte auf dann 2,25 Prozent heruntersetzen werden. Dies wäre die siebte Senkung seit Juni 2024. Dem EZB-Rat spielt in die Hände, dass die Inflation in der Euro-Zone mit zuletzt 2,2 Prozent schon nahe am Zielwert der Währungshüter von zwei Prozent liegt. Mit Spannung warteten die Anleger nun auf Hinweise zum weiteren Vorgehen der Zentralbanker, erläutern die Analysten der LBBW. Sie rechnen mit zwei weiteren Lockerungsschritten um je 25 Basispunkte bis Ende des Jahres. Der Euro verlor im Vorfeld des Entscheids zeitweise 0,5 Prozent auf 1,1344 Dollar. Die US-Währung, die angesichts der Zollpolitik von Trump zuletzt stark unter die Räder gekommen war, machte etwas Boden gut. Der Dollar-Index stieg um 0,3 Prozent auf 99,660 Punkte. Seit der Ankündigung drastischer US-Zollerhöhungen Anfang April ist die US-Währung um gut 4,5 Prozent eingebrochen.
US-NOTENBANK FED IM ABWARTE-MODUS
Anders als die EZB sieht die US-Notenbank Fed trotz Anzeichen für eine Verlangsamung der amerikanischen Wirtschaft keinen dringenden Handlungsbedarf. Die Notenbank könne zunächst die Zinsen konstant halten, “um auf größere Klarheit zu warten”, sagte Fed-Chef Jerome Powell am Mittwoch mit Blick auf die noch unklaren Auswirkungen der von Trump verhängten Zölle. Die Währungshüter hatten den Leitzins zuletzt in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent belassen. Die Fed entscheidet am 7. Mai wieder über den geldpolitischen Schlüsselsatz.
Bei den Einzelaktien sorgten die Berichte einiger Unternehmen für zum Teil deutliche Ausschläge. Die Titel von Siemens Energy stiegen im Dax um bis zu 13,6 Prozent auf ein Allzeithoch von 65,58 Euro, nachdem der Energietechnikkonzern seinen Ausblick für 2025 angehoben hatte. Die Prognose sei sehr stark und deutlich besser als erwartet ausgefallen, sagte ein Händler. Siemens Energy geht davon aus, im Geschäftsjahr 2025 den bereinigten Umsatz in einer Bandbreite von 13 bis 15 Prozent steigern zu können. Bisher waren acht bis zehn Prozent in Aussicht gestellt worden. Die Ergebnis-Marge vor Sondereffekten wird nun zwischen vier und sechs Prozent statt zwischen drei und fünf Prozent erwartet.
Im MDax erfreute Evotec die Anleger laut einem Händler mit seinem Langfristausblick. Bis 2028 peilt Evotec-Chef Christian Wojczewski jährliche Umsatzsteigerungen von durchschnittlich acht bis zwölf Prozent an. Die operative Umsatzrendite (Ebitda-Marge) soll bis dahin mehr als 20 Prozent erreichen. Die Aktien der Biotechfirma gewannen bis zu 10,8 Prozent.
HERMES ENTTÄUSCHT MIT UMSATZZAHLEN
An der Pariser Börse sorgte Hermes mit einem Verlust von mehr als vier Prozent für Gesprächsstoff. Der französische Luxustaschenhersteller verbuchte im ersten Quartal ein Umsatzplus von sieben Prozent auf 4,1 Milliarden Euro und blieb damit leicht hinter den Schätzungen zurück. Auch der Rivale LVMH hatte Anfang der Woche Umsätze unter den Erwartungen gemeldet. Die Aktien von LVMH gingen nach ihren jüngsten Verlusten auf Erholungskurs und lagen am Donnerstag 1,3 Prozent fester.
Am Rohstoffmarkt bremsten Gewinnmitnahmen die Rekordjagd beim Goldpreis vorerst aus. Das Edelmetall verbilligte sich um bis zu 0,9 Prozent auf 3312 Dollar je Feinunze. Am Morgen hatte das gern als sicherer Hafen angesteuerte Asset noch ein frisches Allzeithoch von 3357,40 Dollar je Feinunze markiert. Allein in dieser Woche legte der Goldpreis bislang rund 2,6 Prozent zu. “Die Märkte befinden sich nun in einer abwartenden Haltung, bis weitere Klarheit über die Zollpolitik und die Kommentare der Zentralbanken herrscht,” sagte Heraeus-Edelmetallhändler Alexander Zumpfe. Das veranlasse einige Anleger dazu, Kasse zu machen.
(Bericht von: Daniela Pegna.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)