Deutsche Autobauer geben Vorgeschmack auf China-Modelle

Shanghai/Frankfurt (Reuters) – Volkswagen tüftelt an günstigen Kompaktmodellen, Mercedes-Benz enthüllt das nächste Level von Luxus: Die deutschen Autobauer wollen auf ihrem wichtigsten Markt China verlorenes Terrain wiedergewinnen.

Am Vorabend der am Mittwoch beginnenden Automesse in Shanghai präsentierte der VW-Konzern Konzeptfahrzeuge für drei E-Automodelle seiner VW-Marke ID sowie zwei Audi-Modelle. Alles wird “in China, für China” entwickelt und gebaut, um den Geschmack der chinesischen Kunden besser zu treffen. “Wir haben einen starken Plan. Zur Auto Shanghai schalten wir jetzt in den ‘Liefermodus'”, kündigte VW-Chef Oliver Blume an. Bis 2027 will der Konzern über 20 elektrifizierte Modelle in China herausbringen.

Mercedes-Benz rollte unterdessen einen futuristischen Van auf seiner künftigen elektrischen Van-Plattform, ebenfalls als Showcar, auf die Bühne. Mit Lounge-Sesseln, großem Bildschirm, beschallt von 42 Lautsprechern und sieben Projektoren kann sich der Luxus-Kunde chauffieren lassen und sein Fahrzeug während der Zeit im Stau als Kino, Konzertsaal oder Spielsalon nutzen. Viel Zeit im Auto zu verbringen ist ein verbreitetes Phänomen in den Metropolen Chinas. “Wir wollen die Erwartungen unserer anspruchsvollsten Kunden erfüllen”, sagte Mercedes-Chef Ola Källenius bei der Vorstellung in Shanghai. Auch hier gilt: Alles wird erdacht und gemacht in China für das chinesische Publikum. Die Serienproduktion soll im kommenden Jahr starten.

Für die deutschen Autobauer steht auf ihrem wichtigsten Markt China, lange der größte Gewinnbringer, viel auf dem Spiel. Ihre Marktposition ist bei Verbrennerfahrzeugen noch solide. Aber der Umschwung zu Elektroautos, die immer besser mit digitaler Technik für automatisiertes Fahren oder für Unterhaltung, Shoppen und Arbeiten im Auto ausgestattet werden, geht schnell. Seit dem Ende der Corona-Pandemie vor zwei Jahren ist klar, dass bei E-Autos die chinesischen Hersteller auf dem weltweit größten Automarkt die Nase vorn haben. VW, BMW und Mercedes-Benz spielten im vergangenen Jahr mit Marktanteilen bei E-Autos von 2,0 Prozent, 0,9 Prozent und 0,5 Prozent nur eine untergeordnete Rolle, erklärt Stefan Bratzel, Chef des Center of Automotive Management (CAM). “Trotz ihrer globalen Markenbekanntheit gelingt es den deutschen Premiumherstellern bislang kaum, im dynamischen und innovationsgetriebenen chinesischen Elektromobilitätsmarkt Fuß zu fassen.”

Bei allen deutschen Autobauern sinken die Absatzzahlen in China schon länger, während heimische Konkurrenten auf dem Vormarsch bleiben. Jedes zweite der verkauften 5,1 Millionen Autos war im ersten Quartal ein reines E-Auto oder ein Wagen mit Hybridantrieb. Chinas größter Autobauer BYD blieb nach Daten des CAM mit knapp 29 Prozent Marktführer, gefolgt von Geely mit 13,3 Prozent. Der US-Hersteller Tesla verlor weiter an Boden mit zuletzt noch 5,6 Prozent Marktanteil. Einschließlich Verbrennerfahrzeugen ist VW nach BYD der zweitgrößte Anbieter mit einem Marktanteil von zwölf Prozent. Allerdings liegt Geely nur knapp dahinter.

Die ausländischen Hersteller hätten die Innovationsstärke der chinesischen Automobilhersteller massiv unterschätzt, erklärt Bratzel. “Die Stärke der lokalen Marken beruht nicht nur auf attraktiven Produkten, sondern auch auf ihrer Fähigkeit, neue Technologien schnell in marktfähige Fahrzeuge umzusetzen und diese gezielt auf die Bedürfnisse chinesischer Kunden auszurichten.” Der seit zwei Jahren tobende Preiskampf tue ein Übriges.

(Bericht von Victoria Waldersee und Ilona Wissenbach, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

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