Frankfurt (Reuters) – Die Europäische Zentralbank (EZB) wird laut Bundesbank-Präsident Joachim Nagel in diesem Jahr voraussichtlich ihr Preisstabilitätsziel erreichen.
Die Währungshüter hätten in den vergangenen zwei Jahren ziemlich gut gearbeitet, sagte Nagel am Mittwoch in einem Interview mit Bloomberg TV am Rande der Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank in Washington. “Ich bin sehr optimistisch, wenn es um die Preisstabilität geht, dass dieser Auftrag im Verlauf dieses Jahres erfüllt wird”, sagte er. Die EZB strebt zwei Prozent Inflation als Optimalwert für die Wirtschaft im Währungsraum an. Im März lag die Teuerungsrate in der 20-Länder-Gemeinschaft mit 2,2 Prozent bereits nahe an dieser Zielmarke.
Die EZB hatte vergangene Woche auf ihrer Zinssitzung in Frankfurt die Schlüsselsätze erneut gesenkt. Der richtungsweisende Einlagensatz – der Leitzins im Euroraum – wurde um einen viertel Prozentpunkt auf 2,25 Prozent nach unten gesetzt. Es war bereits die siebte Zinssenkung seit Mitte 2024. Zum weiteren Kurs hielt sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde aber bedeckt.
Die Geldpolitik in Europa befinde sich auf einem guten Weg, was die Preisstabilität angehe, sagte Nagel. “Aber es gibt viel Unsicherheit.” Daher müsse die Notenbank sehr vorsichtig sein und verfolge den Ansatz, von Sitzung zu Sitzung zu entscheiden. Die nächste Zinssitzung der EZB findet am 4. und 5. Juni statt.
“Die Weltwirtschaft befindet sich in einer sehr heiklen Situation”, sagte Nagel und ging auf den von US-Präsident Donald Trump angefachten Zollstreit ein. “Zölle sind keine gute Politik, das ist sicher.” Es gehe jetzt darum, ein besseres Verständnis dafür zu gewinnen, wie sich ein Kompromiss finden lasse. “Europa befindet sich in einer Stagnationssituation,” sagte Nagel. Für Deutschland könne er eine leichte Rezession in diesem Jahr nicht ausschließen.
NAGEL – UNABHÄNGIGKEIT IST IN DER DNA DER ZENTRALBANKEN
Zu den jüngsten Turbulenzen auf dem Markt für US-Staatsanleihen sagte Nagel, es sei keine gute Nachricht, dass es Zweifel gebe am Status von US-Staatsanleihen als ‘sicherer Hafen’. “Wir sollten diese turbulente Situation überwinden”, sagte er. “Wir brauchen einen guten US-Staatsanleihenmarkt, dies ist so wichtig für die Finanzmärkte weltweit.” Unlängst war es am Anleihemarkt zu heftigen Turbulenzen gekommen. Die richtungsweisenden zehnjährigen US-Staatsanleihen waren zeitweise unter massiven Verkaufsdruck geraten. Inzwischen hat sich der Markt aber wieder etwas beruhigt.
In dem Interview betonte Nagel zudem die Unabhängigkeit der Notenbanken. Das sei in der DNA der Zentralbanken, sagte er. Die wiederholten Angriffe von US-Präsident Trump auf Federal-Reserve-Chef Jerome Powell hatten in den vergangenen Tagen an den Märkten weltweit Unbehagen ausgelöst. Experten befürchten einen Vertrauensverlust in die Wirtschaftsmacht USA, sollte die Unabhängigkeit der wohl weltweit wichtigsten Notenbank durch politische Einflussnahme geschmälert werden. Inzwischen ruderte Trump allerdings etwas zurück. Er habe nicht die Absicht, ihn zu entlassen, sagte er am Dienstag im Weißen Haus über Powell. Er würde es jedoch “gerne sehen”, wenn Powell aktiver in Bezug auf eine Senkung der Zinsen vorgehen würde.
(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)