US-Zollchaos zwingt Infineon zum Rätselraten beim Ausblick

Frankfurt (Reuters) – Wegen der schlingernden Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump hat Infineon seine vor wenigen Monaten angehobenen Gesamtjahresziele wieder zurückgenommen.

Sein Unternehmen habe für die aktuelle Prognose einen negativen Umsatzeffekt von zehn Prozent angesetzt, sagte Sven Schneider, der Finanzchef des Chipherstellers, in einer Telefonkonferenz am Donnerstag. “Es hätten auch fünf Prozent sein können. Hinter der Senkung steht keine mathematische Kalkulation.”

Die Situation sei nach den zunächst verhängten und dann teilweise ausgesetzten US-Zöllen unübersichtlich, ergänzte Konzernchef Jochen Hanebeck. Kunden versuchten einzuschätzen, wie sich Trumps Politik auf die Nachfrage ihrer Produkte auswirken wird. Einige würden daher wahrscheinlich neue Bestellungen hinauszögern. “Andere wiederum könnten ihre Lagerbestände aufstocken, um sich für geopolitische Risiken zu wappnen.” Im Auftragseingang lasse sich bislang kein Trend erkennen.

VERHALTENER AUSBLICK – WENIGER INVESTITIONEN

Für das Geschäftsjahr 2024/2025 rechnet Infineon nun mit leicht rückläufigen statt stabilen bis leicht steigenden Umsätzen. Die Segmentergebnismarge werde voraussichtlich im mittleren statt mittleren bis hohen Zehner-Prozentbereich liegen. Diesen Prognosen liege ein Euro-Wechselkurs von 1,125 statt 1,05 Dollar zugrunde. “Ohne den Effekt der Zollauseinandersetzungen wäre die Prognose im Wesentlichen unverändert geblieben”, betonte das Unternehmen. Als Reaktion darauf werde das Investitionsbudget auf 2,3 von 2,5 Milliarden Euro gekürzt.

Bei den Zielen sei der vor einigen Wochen angekündigte Zukauf in den USA nicht berücksichtigt. Infineon übernimmt das Geschäft mit Netzwerk-Komponenten für Fahrzeuge des US-Konkurrenten Marvell für 2,5 Milliarden Dollar.

Analyst Janardan Menon von der Investmentbank Jefferies bezeichnete die aktuellen Unternehmensprognosen als konservativ. Infineon bleibe für ihn erste Wahl. Die Aktie konnte ihre vorbörslichen Verluste wettmachen und stieg am Vormittag zeitweise um knapp vier Prozent.

HOFFNUNGSTRÄGER KI – ERMUTIGENDE QUARTALSERGEBNISSE

Ein Lichtblick sei erneut das Geschäft mit Leistungshalbleitern für Künstliche Intelligenz (KI), sagte Hanebeck. “Der Aufbau von KI-Rechenzentren und der dazugehörigen Infrastruktur schreitet zügig voran.” Daher gehe er weiter davon aus, dass sich die Umsätze mit diesen Produkten im laufenden Jahr auf rund 600 Millionen Euro mehr als verdoppeln werden. Im kommenden Jahr solle wie bislang vorhergesagt die Marke von einer Milliarde Euro geknackt werden, ergänzte Marketing-Chef Andreas Urschitz.

Im abgelaufenen Vierteljahr lagen die Konzernerlöse mit 3,59 Milliarden Euro im Rahmen der Erwartungen. Die Segmentergebnismarge betrug 16,7 Prozent, rund 1,5 Prozentpunkte mehr als die Analysten im Schnitt erwartet hatten. Darin spiegele sich die Kompensationszahlung eines Kunden im mittleren zweistelligen Millionenbereich wider, erläuterte Infineon. Für das laufende Quartal stellte die Firma einen Umsatz von etwa 3,7 Milliarden Euro und eine Marge im mittleren Zehner-Prozentbereich in Aussicht.

(Bericht von Hakan Ersen, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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