Peking (Reuters) – Chinas Exportmotor bleibt nach dem Ausbruch des Handelskriegs mit den USA überraschend auf Touren.
Auch dank reger Nachfrage aus dem asiatischen Raum sowie aus Europa legten die Ausfuhren im April um 8,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu. Und dies trotz eines Einbruchs im US-Geschäft, wie die Zollbehörde am Freitag in Peking weiter mitteilte. Von Reuters befragte Experten hatten nur ein chinesisches Export-Plus von 1,9 Prozent erwartet, nach 12,4 Prozent im März.
“Selten war die Spanne der Schätzungen unter Ökonomen so groß wie dieses Mal, und dennoch hatte kaum jemand einen derart starken Anstieg der Exporte auf dem Radar”, sagte LBBW-Analyst Sandro Pannagl. “Anstatt den direkten Weg in die USA zu nehmen, scheinen chinesische Produkte nun in großem Umfang über Südostasien geleitet zu werden”, so seine Analyse.
US-Präsident Donald Trump hatte im April einen Zoll von 145 Prozent auf chinesische Waren angeordnet, den die Volksrepublik mit einem Gegenzoll von 125 Prozent auf amerikanische Güter konterte. Die Lieferungen in die Vereinigten Staaten brachen aufgrund der Zölle um 21 Prozent auf 33 Milliarden Dollar ein. “Die Spuren des Handelskrieges zwischen den USA und China sind in den jüngsten Handelszahlen für April sichtbar, aber nicht so dramatisch, wie manche Berichte über den Totalzusammenbruch des bilateralen Handels suggerieren”, analysiert Cyrus de la Rubia,Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank.Dass die Ausfuhren trotz der hohen Handelshürde beim wichtigsten Kunden USA insgesamt deutlich zulegten, ist vor allem auf die starke Nachfrage aus südostasiatischen Ländern wie Vietnam und Thailand zurückzuführen. “Diese Länder haben ihre Produktion hochgefahren”, sagte die China-Direktorin des Beratungsunternehmens Eurasia Group, Dan Wang. Auch sie wurden am 2. April mit hohen US-Zöllen belegt, die jedoch für 90 Tage ausgesetzt worden sind. Sie nutzen die Verschnaufpause, um so viel wie möglich in die Vereinigten Staaten zu liefern. “Ihre Produktion ist in hohem Maße von Chinas Rohstoff- und Industrieexporten abhängig”, sagte Wang. “Das hat die chinesischen Exporte dorthin angekurbelt.” Die Lieferungen in die sogenannten Asean-Länder schnellten im April um 20,8 Prozent nach oben auf mehr als 60 Milliarden Dollar. Die Ausfuhren in die Europäische Union wuchsen um 8,3 Prozent auf 46,7 Milliarden Dollar.
“KANN SICH SCHNELL VERSCHLECHTERN”
Experten rechnen auch für Mai und Juni damit, dass die Nachfrage aus Asien einen möglichen Einbruch des US-Geschäfts ausgleichen kann. “Die Handelsdaten könnten sich jedoch recht schnell verschlechtern, wenn die 145-prozentigen Zölle auf China weiter in Kraft bleiben und die Gespräche der Asean-Länder mit der Trump-Regierung keine Fortschritte erzielen”, betonte Wang.
Die chinesische Wirtschaft ist auf Exporte angewiesen – auch, weil die Binnennachfrage wegen der Immobilienkrise schwächelt. “Der Schaden der US-Zölle ist in den Handelsdaten für April nicht sichtbar”, sagte Chefökonom Zhiwei Zhang vom Vermögensverwalter Pinpoint. “Ich gehe davon aus, dass sich die Handelsdaten in den nächsten Monaten allmählich abschwächen werden.”
Die chinesische Regierung strebt trotz des Handelskriegs erneut ein Wirtschaftswachstum von “rund fünf Prozent” für dieses Jahr an. Um die negativen Folgen der Zölle auf die heimische Wirtschaft abzumildern, wurden am Mittwoch zahlreiche geldpolitische Hilfen angekündigt, darunter Liquiditätsspritzen und Leitzinssenkungen.
Ob die jüngsten Export-Zahlen aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt im Ausland ein Grund zur Freude sind, ist aus Sicht von LBBW-Experte Pannagl fraglich: “Nicht nur könnte der Anstieg chinesischer Exporte nach Europa den Handlungsdruck auf die EU-Kommission erhöhen. Auch in den USA wird die Herausbildung möglicher Alternativrouten für chinesische Waren wohl wenig Begeisterung hervorrufen.”
(Bericht von Joe Cash und Yukun Zhang, geschrieben von Reinhard Becker, Rene Wagner, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)