Wiesbaden (Reuters) – Das Interesse der italienischen Großbank Unicredit hat bei der Hauptversammlung der Commerzbank für Wirbel gesorgt.
Hunderte von Arbeitnehmern demonstrierten vor dem Veranstaltungsort in Wiesbaden am Donnerstag gegen eine Übernahme durch die Italiener. Sie hielten Plakate mit Sprüchen wie “Wir sind die Bank – stark und eigenständig” oder “Nein zu Unicredit” in die Höhe. Ein Verdi-Vertreter warnte vor einem Kahlschlag bei den Arbeitsplätzen im Falle einer Übernahme. Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp unterstrich, die Bank konzentriere sich auf ihre “eigenständige Strategie und das ist das Wesentliche”. Es gelte, “dass wir nicht irgendwie ständig Störfeuer von außen brauchen”, sagte sie. Ein Zusammenschluss mit einer anderen Bank berge große Risiken.
Auch einige Aktionäre sprachen sich gegen eine Übernahme des Frankfurter Geldhauses aus. Andere forderten indes von Orlopp, sie müsse alle Optionen für die Zukunft der Bank unabhängig prüfen. “Ich lehne eine Übernahme (…) eindeutig ab”, sagte Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Diese liege nicht im Interesse der Commerzbank, ihrer Aktionäre und ihrer Mitarbeiter. Ein anderer Aktionär brachte sogar eine Übernahme der Unicredit durch die Commerzbank ins Spiel. Kooperationen dürften für den Vorstand kein Tabu sein, sagte dagegen der DWS-Vertreter Hendrik Schmidt: “Wir erwarten, dass der Vorstand mit der gebotenen Unabhängigkeit agiert und strategische Optionen zur langfristigen und nachhaltigen Wertsteigerung für alle Aktionäre prüft.”
Die Commerzbank ist ins Visier der Unicredit geraten, der in Deutschland bereits die HypoVereinsbank (HVB) gehört. Die Italiener sind inzwischen der zweitgrößte Commerzbank-Aktionär nach dem Bund, der rund zwölf Prozent hält. Die Europäische Zentralbank (EZB) als Aufseherin für die Großbanken hat eine weitere Aufstockung der direkten Commerzbank-Beteiligung auf bis zu 29,9 Prozent bereits genehmigt. Auch das Kartellamt gab grünes Licht für die Aufstockung. Die Commerzbank stemmt sich gegen eine Übernahme.
Unicredit-Chef Andrea Orcel hat immer wieder betont, dass sein Institut bei der Entscheidung über ein Übernahmeangebot nicht unter Zeitdruck ist. Er könne auch bis 2027 warten. Bei einer Entscheidung komme es auch darauf an, wie ein Meinungsaustausch mit der neuen Bundesregierung ausfällt – und ob das Commerzbank-Management eine konstruktive Haltung einnehme. Orlopp machte nun klar, dass die Commerzbank im Austausch mit der neuen Bundesregierung steht. “Wir sind in regelmäßigem Kontakt mit all unseren Aktionären und wirklich allen großen Aktionären”, sagte sie vor dem Aktionärstreffen. “Und dazu zählt natürlich auch ganz klar der Bund, und deswegen ist es jetzt keine Überraschung, dass wir natürlich auch mit Berlin in Kontakt stehen.”
ORLOPP: BESTE JAHRE LIEGEN VOR UNS
Vor den Aktionären machte sich Orlopp für eine Unabhängigkeit des Geldhauses stark. “Es ist unser großes Ziel, die Commerzbank als feste Größe unter den erfolgreichen europäischen Banken zu etablieren.” Dabei werde die “Momentum” genannte Strategie der Bank helfen. “Der Kapitalmarkt weiß (…), dass wir einen überzeugenden Plan zur Wertschaffung haben – und was wir als eigenständige Bank erreichen können.” Die Bank sei natürlich auch bereit, sich alternative Optionen ergebnisoffen anzuschauen. “Priorität hat jetzt aber die zügige Umsetzung unserer eigenen Strategie”, sagte Orlopp. Mit dieser trimmt sie das Institut auch auf Profit und umgarnt die Aktionäre mit Ausschüttungen. Steigt der Aktienkurs, wird eine Übernahme für die Unicredit teurer. “Unsere Commerzbank hat die besten Jahre noch vor sich”, sagte Orlopp. Ein Zusammenschluss mit einer anderen großen Bank berge dagegen “signifikante Umsetzungsrisiken” und werde zudem über Jahre Mitarbeiter-Kapazitäten binden: “Und das in einem Umfeld, das keinen Stillstand (…) erlaubt.”
Teil des “Momentum”-Programms ist auch der Abbau von rund 3900 Stellen, rund 3000 davon in Deutschland. Am Vorabend der Hauptversammlung hatte das Geldhaus eine Einigung mit den Arbeitnehmern über die Modalitäten des Abbaus verkündet. Die Bank setzt dabei vor allem auf Altersteilzeit und Vorruhestand, aber auch Abfindungen seien möglich, wenn Mitarbeiter den Konzern in Deutschland in Abstimmung mit dem Arbeitgeber verlassen.
(Bericht von Tom Sims und Matthias Inverardi, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bittean unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)