(mit weiteren Reaktionen)
– von Tom Balmforth und Can Sezer und Vladimir Soldatkin
Istanbul (Reuters) – Die ersten direkten Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine seit mehr als drei Jahren sind am Freitag nach weniger als zwei Stunden ohne Einigung auf einen Waffenstillstand zu Ende gegangen.
Dies teilten Vertreter beider Seiten nach dem Treffen in Istanbul mit. Trotz des fehlenden Fortschritts zeigte sich Russland zufrieden mit den Gesprächen. Vereinbart wurde ein Austausch von jeweils 1000 Kriegsgefangenen. Der russische Delegationsleiter Wladimir Medinski sagte, eine Fortsetzung der Verhandlungen sei möglich.
Ein Mitglied der ukrainischen Delegation beschrieb Russlands Forderungen allerdings als “realitätsfremd und weit über alles hinausgehend, was zuvor besprochen wurde”. Demnach forderte Russland ultimativ, dass sich die Ukraine von Teilen ihres eigenen Territoriums zurückziehe, um einen Waffenstillstand zu erzielen. Nach den Gesprächen führten der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und die Staats- und Regierungschefs von Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Polen ein Telefongespräch mit US-Präsident Donald Trump, wie Selenskyjs Sprecher bestätigte.
Der britische Premierminister Keir Starmer verurteilte die Haltung Russlands als inakzeptabel und betonte, dass Europa, die Ukraine und die USA ihre Reaktionen eng abstimmten. Bundeskanzler Friedrich Merz sprach von einem “sehr, sehr kleinen diplomatischen Erfolg” der europäischen Bemühungen zur Beendigung des Kriegs. Das erste Treffen zwischen Russland und der Ukraine seit mehr als drei Jahren sei “ein sehr kleines, aber erstes positives Signal”, sagte Merz am Rande des Treffens der Europäischen Politischen Gemeinschaft im albanischen Tirana.
Selenskyj betonte, dass robuste Sanktionen folgen sollten, falls Russland einen Waffenstillstand ablehne. Er unterstrich die Notwendigkeit, den Druck auf Russland aufrechtzuerhalten, bis die Regierung in Moskau bereit sei, den Krieg zu beenden. Vor den Verhandlungen skizzierte Selenskyj das vorrangige Ziel, einen vollständigen und bedingungslosen Waffenstillstand zu erreichen, um die Gewalt zu beenden und eine solide Grundlage für die Diplomatie zu schaffen.
“ES GIBT ZWEI WEGE”
Die Delegationen trafen sich in einem Palast am Bosporus. Die Erwartungen an einen Durchbruch waren allerdings gering, insbesondere nachdem Trump am Donnerstag erklärt hatte, es werde keine Bewegung geben ohne ein Treffen zwischen ihm und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Russland hat Bereitschaft signalisiert, den Krieg auf diplomatischem Wege zu beenden. Allerdings hat die Regierung in Moskau Bedenken geäußert, dass die Ukraine eine Pause nutzen könnte, um ihre Kräfte neu zu formieren und mehr westliche Waffen zu erwerben. Die Ukraine und ihre Verbündeten werfen Putin vor, auf Zeit zu spielen.
Während des Treffens saßen sich die Delegierten gegenüber, die russischen Vertreter trugen Anzüge, mehrere Mitglieder der ukrainischen Delegation erschienen in Militäruniform. An der Gesprächsrunde nahmen auch der türkische Außenminister Hakan Fidan und der Leiter des türkischen Geheimdienstes MIT, Ibrahim Kalin, teil. Fidan wandte sich zu Beginn an beide Seiten: “Es gibt zwei Wege vor uns: Einer führt zu Frieden, der andere zu weiterer Zerstörung und Tod. Die Seiten werden selbst entscheiden, welchen Weg sie wählen.”
Die Initiative für die Gespräche ging von Putin aus, der jedoch die Einladung Selenskyjs ablehnte, sich persönlich zu treffen, und stattdessen Vertreter mittleren Ranges entsandte. Die Ukraine reagierte, indem sie Unterhändler auf Augenhöhe schickte, die allerdings von Verteidigungsminister Rustem Umerow angeführt wurden.
RUSSLAND SETZT OFFENSIVE FORT
Russland betrachtet die Gespräche als Fortsetzung der Verhandlungen aus dem frühen Jahr 2022, die ebenfalls in Istanbul stattfanden. Damals empfand die Ukraine die russischen Bedingungen als inakzeptabel. Sie beinhalteten Forderungen nach erheblichen Einschränkungen der militärischen Fähigkeiten der Ukraine, Aufgabe von Territorium und einen Verzicht auf eine Nato-Mitgliedschaft. Andrij Jermak, der Stabschef Selenskyjs, betonte, dass russische Versuche, die neuen Gespräche mit den zuvor erfolglosen Verhandlungen in Verbindung zu bringen, scheitern würden. Die Ukraine fordert nach einem Waffenstillstand Sicherheitsgarantien vor allem von den USA.
Parallel zu den Gesprächen setzte Russland seine Offensive in der Ukraine fort und meldete am Freitag die Einnahme eines weiteren Dorfes im Osten des Landes. Kurz vor Beginn des Treffens in Istanbul berichteten ukrainische Medien von Luftalarm und Explosionen in der Stadt Dnipro. Die russischen Truppen kontrollieren derzeit nahezu ein Fünftel der Ukraine.
(Weitere Reporter: Vladimir Soldatkin in Istanbul, Olena Harmash in Kiew, Ece Toksabay und Tuvan Gumrukcu in Ankara and Reuters reporters in Mokau; Bearbeitet von Alexander Ratz; Redigiert von Sabine Ehrhardt; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)