Warschau/Danzig (Reuters) – Bei der Präsidentschaftswahl in Polen zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen einem pro-europäischen und einem nationalistischen Kandidaten ab.
Die Entscheidung dürfte erst in einer Stichwahl am 1. Juni fallen.
Prognosen vom Sonntagabend zufolge liegt der zentristische Kandidat der pro-europäischen Regierung, Rafal Trzaskowski, mit etwa 30,8 Prozent der Stimmen vorn. Er hat angekündigt, die Demokratisierung voranzutreiben. Auf Platz 2 liegt Karol Nawrocki, der von der nationalistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterstützt wird. Er kommt auf 29,1 Prozent.
Erreicht kein Kandidat in der ersten Runde 50 Prozent oder mehr Stimmen, gibt es am 1. Juni eine Stichwahl zwischen den beiden führenden Kandidaten der ersten Runde. Dann würde sich entscheiden, ob Polen den vom Ministerpräsidenten Donald Tusk eingeschlagenen pro-europäischen Kurs beibehält oder sich nationalistischen Anhängern von US-Präsident Donald Trump annähert.
Tusk schrieb am Sonntagabend auf X, die kommenden beiden Wochen würden über die Zukunft Polens entscheiden. Trzaskowski sagte vor Anhängern, er strebe den Sieg an. “Ich habe gesagt, dass es knapp werden würde, und das ist es auch. (…) Es liegt viel, viel Arbeit vor uns und wir brauchen Entschlossenheit.”
Nawrocki erklärte, er sei zuversichtlich, die zweite Runde zu gewinnen. Er rief die Anhänger anderer rechter Kandidaten auf, sich hinter ihn zu stellen. Man müsse “Polen retten”. Die rechtsextremen Kandidaten Slawomir Mentzen und Grzegorz Braun erreichten bei der Wahl am Sonntag zusammen fast 22 Prozent der Stimmen, ein historisch hohes Ergebnis. Allerdings ziehen nur die beiden Erstplatzierten in die Stichwahl ein. Bekäme Nawrocki die Stimmen der Wähler von Mentzen und Braun, dürfte es für Trzaskowski äußerst eng werden.
Ein Sieg Trzaskowskis würde es Tusk ermöglichen, eine Agenda umzusetzen, die die Rücknahme der von der PiS eingeführten Justizreformen vorsieht, die laut Kritikern die Unabhängigkeit der Gerichte untergraben. Sollte Nawrocki gewinnen, würde die Blockade, in der sich die Regierung befindet, seit Tusk 2023 Ministerpräsident wurde, weiter bestehen. Bislang hat der PiS-treue Präsident Andrzej Duda, der nach zwei Amtszeiten nicht nochmals antreten durfte, die Bemühungen von Tusk blockiert. In Polen ist der Präsident der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, er kann aber auch sein Veto gegen Gesetze einlegen.
Im Gegensatz zu einigen anderen Euroskeptikern in Mitteleuropa unterstützt Nawrocki die militärische Hilfe für die Ukraine, um sich gegen Russland zu wehren. Er hat sich aber die anti-ukrainische Stimmung einiger Polen zunutze gemacht, die den Zustrom von Flüchtlingen aus dem Nachbarland fürchten.
(Bericht von Kuba Stezycki, Fatos Bytyci, Pawel Florkiewicz, Janis Laizans und Thomas Holdstock. Geschrieben von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)