London (Reuters) – Unter dem Eindruck der jüngsten Gaza-Offensive hat Großbritannien die Freihandelsgespräche mit Israel ausgesetzt, die Botschafterin des Landes einbestellt und weitere Sanktionen gegen Siedler im Westjordanland angekündigt.
Man könne nicht tatenlos zusehen, wie sich die Lage verschlechtere, sagte Außenminister David Lammy am Dienstag vor Abgeordneten in London. Diese sei unvereinbar mit den Grundsätzen der bilateralen Beziehungen. “Offen gesagt ist sie ein Affront gegen die Werte der britischen Bevölkerung.” Zuvor hatte sich auch Premierminister Keir Starmer im Parlament entsetzt über die Eskalation im Gazastreifen gezeigt.
Starmer und Lammy kritisierten beide das israelische Vorgehen in dem Palästinenser-Gebiet. Beide verwiesen auf die israelischen Geiseln, die sich noch in der Hand der radikal-islamischen Hamas befinden. Die Offensive sei nicht der Weg, um sie nach Hause zu bringen, sagte Lammy. Neben dem Stopp der Handelsgespräche verhängte Großbritannien Sanktionen gegen mehrere Personen und Gruppen im Westjordanland, die mit Gewalt gegen Palästinenser in Verbindung gebracht werden. Im vergangenen Jahr hatte Großbritannien mit der gleichen Begründung Strafmaßnahmen gegen Siedler und deren Organisationen verhängt.
Eine Stellungnahme der Regierung in Jerusalem lag zunächst nicht vor. Großbritannien hatte am Vortag in einer gemeinsamen Erklärung mit Frankreich und Kanada die Ausweitung des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen verurteilt und das Ende der Beschränkungen für Hilfsgüter verlangt. Starmer, der französische Präsident Emmanuel Macron und Kanadas Regierungschef Mark Carney drohten dabei mit “konkreten Maßnahmen”, ohne dass zunächst Einzelheiten bekannt geworden waren. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warf ihnen auf dem Kurznachrichtendienst X vor, die Hamas für den Angriff vom 7. Oktober 2023 zu belohnen und zu weiteren Gräueltaten einzuladen.
Israel hat angesichts der drohenden Hungersnot im Gazastreifen und des wachsenden Drucks aus dem Ausland zwar zuletzt die Blockade gelockert. Zugleich verstärkte die Regierung jedoch die Offensive gegen die Hamas. In den vergangenen acht Tagen wurden bei israelischen Angriffen nach palästinensischen Angaben mehr als 500 Menschen getötet. Netanjahu hat den Konflikt als “Krieg der Zivilisation gegen die Barbarei” beschrieben und erklärt, Israel werde “sich weiter mit gerechten Mitteln verteidigen bis zum vollständigen Sieg”.
(Bericht von Sachin Ravikumar und Sarah Young; Geschrieben von Scot W. Stevenson, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)