Österreichische Gasbörse steigert Handel trotz russischem Lieferstopp

Wien (Reuters) – Die österreichische Gasbörse Central European Gas Hub (CEGH) hat im laufenden Jahr trotz des Wegfalls russischer Gaslieferungen über die Ukraine ein höheres Handelsvolumen verzeichnet.

In den vergangenen Monaten habe der ursprünglich für den Handel mit russischem Erdgas konzipierte Hub sogar an Bedeutung gewonnen, sagte CEGH-Chef Gottfried Steiner in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Die russischen Lieferungen wurden weitgehend durch norwegisches Pipeline-Gas und Flüssigerdgas (LNG) ersetzt, die Importe kommen jetzt vor allem über Deutschland und Italien.

Bis zum 18. Mai wurden laut Steiner am Spotmarkt 67,1 Terawattstunden (TWh) und am Terminmarkt 76,8 TWh gehandelt, ein Plus von 0,3 Prozent und zwölf Prozent. Am Spotmarkt wird Gas sofort oder sehr kurzfristig gehandelt, während am Terminmarkt Lieferungen für einen festen Zeitpunkt in der Zukunft gehandelt werden. Der CEGH-Chef zeigte sich zuversichtlich, dass die höhere Liquidität anhält.

Für Steiner, der den Hub seit über einem Jahrzehnt leitet, kam diese Entwicklung unerwartet: “Dass der Wegfall des russischen Transits über die Slowakei die Liquidität am Gashub sogar erhöht hat, war eine große Überraschung.” Der CEGH wurde 2005 gegründet, um den Gasfluss aus Russland nach Mitteleuropa zu bündeln und zu vermarkten. Entsprechend groß war laut Steiner die Unsicherheit über die Auswirkungen des russischen Lieferstopps. Die Versorgung blieb stabil, weil alternative Bezugsquellen rasch aktiviert werden konnten.

Der Firmensitz der CEGH befindet sich in Wien, der physische Gasumschlag erfolgt jedoch über die Gasstation Baumgarten in Niederösterreich. Diese zählt zu den wichtigsten Einspeisepunkten Europas und war über Jahrzehnte ein zentraler Knotenpunkt für russisches Gas, unter anderem weil Österreich große Speicherkapazitäten hat. Mehrheitseigentümer der CEGH ist die OMV-Tochter Gas & Power GmbH, weitere Anteile halten die Wiener Börse und der slowakische Netzbetreiber Eustream.

Der vollständige Lieferstopp russischen Erdgases kam im November 2024, als der russische Energiekonzern Gazprom seine Lieferungen nach einem eskalierten Rechtsstreit mit dem österreichischen Öl- und Gaskonzern OMV einstellte. Gleichzeitig lief der Transitvertrag zwischen Russland und der Ukraine aus. Dennoch blieb die Versorgung stabil, da Österreich seither vermehrt Gas aus westlicher Richtung bezieht und gleichzeitig Mengen in Richtung Ungarn, Slowenien und die Slowakei weiterleitet – teilweise auch zur Rückführung in die Ukraine.

Ein Treiber für das gestiegene Handelsvolumen sind laut Steiner die Einspeisungen in die österreichischen Speicher. Das derzeit niedrige Preisniveau ermögliche es, günstig Gas zu kaufen und später – im Winter – mit Gewinn zu verkaufen. Seit März seien die Spotmarktpreise um 24  Prozent gefallen, beeinflusst durch globale Marktentwicklungen sowie politische Maßnahmen gegen kurzfristiges Horten.

“Seit April sind die Preisaufschläge für Einspeicherungen im Sommer mit Blick auf Verkäufe im Winter 2025/26 wieder positiv”, sagte Steiner. Die sogenannte Sommer-Winter-Preisspanne, ein Indikator für Gewinnpotenziale, habe sich seit April auf bis zu ein  Euro pro Megawattstunde erhöht, nachdem sie zuvor sechs Monate lang durchgehend negativ gewesen war.

(Bericht von Vera Eckert, geschrieben von Alexandra Schwarz-Goerlich, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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