(Reuters) – Der von Russland und der Ukraine vereinbarte Austausch von je tausend Gefangenen ist angelaufen.
Das russische Verteidigungsministerium teilte am Freitag mit, es seien jeweils 270 Kriegsgefangene und 120 Zivilisten auf beiden Seiten freigelassen worden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte die Angaben und sagte, er rechne damit, dass am Samstag und Sonntag weitere Gefangene übergeben würden. Die beiden Staaten hatten sich in Istanbul auf den umfangreichsten Gefangenenaustausch seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine vor über drei Jahren geeinigt.
In der türkischen Metropole hatten Vertreter beider Länder die ersten direkten Gespräche seit Ausbruch des Kriegs geführt. Eine Feuerpause, auf die die Ukraine drängte und die auch von US-Präsident Donald Trump gefordert worden war, wurde nicht erreicht. Trump selbst schrieb auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social: “Glückwunsch an beide Seiten zu dieser Verhandlung. Das könnte zu etwas Großem führen???” Allerdings hatte der US-Präsident den Eindruck erweckt, der Gefangenenaustausch sei abgeschlossen, was ein Insider aus ukrainischen Militärkreisen zurückwies.
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau sind die freigelassenen russischen Soldaten und Zivilisten nach Belarus gebracht worden. Sie würden psychologische und medizinische Hilfe erhalten, bevor sie nach Russland weiterreisen würden. Auf ukrainischer Seite hatte es geheißen, die Freigelassenen würden in der Region Tschernihiw erwartet, die eine Grenze zu Belarus hat.
RUSSLAND VERLANGT GEBIETSABTRETUNGEN UND ENTWAFFNUNG
Russland hatte in Istanbul unter anderem weitgehende Gebietsabtretungen verlangt, die von der Ukraine abgelehnt werden. Der Leiter der russischen Verhandlungsdelegation, Wladimir Medinski, hatte sich in der Vergangenheit hinter Positionen gestellt, die die Eigenständigkeit der Ukraine abstreiten und den sowjetischen Diktator Josef Stalin preisen.
Europäische Staaten warfen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nach den Verhandlungen vor, nicht wirklich an einem Ende der Kämpfe interessiert zu sein und auf Zeit zu spielen. Putin selbst hatte eine persönliche Begegnung mit Selenskyj abgelehnt, der eigens dafür an den Bosporus gereist war. Trump hatte ursprünglich damit gedroht, Sanktionen gegen Russland zu verschärfen, wenn dieses den Frieden blockiere. Nach einem Gespräch mit Putin am Montag beschloss er jedoch, vorerst keine Maßnahmen zu ergreifen.
Putin beharrt darauf, über die “eigentlichen Ursachen” des Krieges zu sprechen. Der Präsident versteht darunter unter anderem, die Ukraine solle Staatsgebiet an Russland abtreten, entwaffnet werden und von Militärbündnissen mit dem Westen ausgeschlossen werden. Die Regierung in Kiew lehnt dies als eine Form der Kapitulation ab. Denn dann wäre man künftigen russischen Angriffen wehrlos ausgesetzt.
Unterdessen gingen die Kämpfe weiter. Russland meldete, eine Siedlung namens Rakiwka in der Region Charkiw eingenommen zu haben. Der Gouverneur der ukrainischen Region Odessa, Oleh Kiper, erklärte, die Hafeninfrastruktur sei von zwei russischen Raketen getroffen worden, dabei seien ein Mensch getötet und acht verletzt worden.
(Bericht von Tom Balmforth, bearbeitet von Hans Busemann, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)