– von Reinhard Becker und Klaus Lauer
Berlin, 23. Mai (Reuters) – Die deutsche Wirtschaft ist Anfang 2025 doppelt so stark gewachsen wie gedacht und nährt Hoffnung auf ein Ende der Rezessionsjahre.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Januar bis März um 0,4 Prozent zum Vorquartal zu, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. In einer Schnellschätzung war von 0,2 Prozent die Rede. Grund für das höhere Wachstum war die überraschend starke Entwicklung im März.
Exporte, Investitionen und privater Konsum schoben das Wachstum zum Jahresauftakt an. Stärker zugelegt hatte das BIP zuletzt im Sommer 2022 – mit plus 0,6 Prozent. Mit dem guten Jahresstart verbessern sich die Aussichten, dass die Wirtschaft 2025 zum ersten Mal seit drei Jahren wieder etwas zulegen könnte.
Mut macht dabei auch, dass der Jahresauftakt besser ausfiel als im Durchschnitt aller EU-Länder, die es auf 0,3 Prozent brachten. Die lahmende größte Volkswirtschaft Europas war noch Ende 2024 geschrumpft – und zwar um 0,2 Prozent, wie die Statistiker nun bestätigten. Es war der Abschluss des zweiten Rezessionsjahrs in Folge.
Die Wirtschaftsweisen rechnen in ihrer jüngst vorgelegten Prognose damit, dass die Konjunktur nicht anspringt und im Gesamtjahr nur stagnieren wird. Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen ist nach den überraschenden Zahlen des Auftaktquartals zuversichtlicher und erwartet ein Plus von 0,2 Prozent: “Dafür spricht auch, dass sich zuletzt die Zeichen gemehrt haben, dass die deutsche Industrie trotz der höheren US-Zölle den konjunkturellen Tiefpunkt durchschritten hat.”
Dem Bundesamt zufolge entwickelten sich vor allem die Produktion im verarbeitenden Gewerbe sowie die Exporte besser als zunächst angenommen. Die privaten Konsumausgaben zogen stärker an als in den Vorquartalen. Sie stiegen um 0,5 Prozent im Vergleich zum vierten Quartal 2024.
Der Handel mit dem Ausland nahm zu Jahresbeginn sogar kräftig zu: So wurden 3,2 Prozent mehr Waren und Dienstleistungen exportiert, ausgehend von einem “verhaltenen” vierten Quartal 2024. Insbesondere die Ausfuhren von pharmazeutischen Erzeugnissen sowie von Autos und Kraftwagenteilen legten deutlich zu. “Vorzieheffekte im schwelenden Handelskonflikt mit den USA dürften daher zu der positiven Entwicklung beigetragen haben”, erläuterte die Wiesbadener Behörde. Die Importe stiegen zu Jahresbeginn ebenso, aber mit 1,1 Prozent weniger stark als die Exporte.
“ZOLLTHEATER IST NICHT VOM TISCH”
“So etwas ist natürlich kein auf Dauer angelegtes Konjunkturprogramm”, sagte LBBW-Experte Jens-Oliver Niklasch mit Blick auf den zuletzt florierenden Außenhandel. Im zweiten Quartal dürfte es seiner Meinung nach eine gewisse Korrektur geben. US-Präsident Donald Trump hatte Anfang April Sonderzölle bekanntgegeben, die er jedoch für viele Staaten zunächst aussetzte. Der Basiszollsatz von zehn Prozent bleibt allerdings.
Laut dem Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe, Alexander Krüger, zeigt die Entwicklung zu Jahresbeginn, dass “vor der Zollkeule” noch so viel wie möglich in die USA gebracht wurde. Im ersten Quartal habe vieles gepasst: “Das ist sicherlich nicht auf die nächsten Quartale übertragbar. Das Zolltheater ist nicht vom Tisch, und es fehlt an einer echten Standortpolitik.”
Auch der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) bleibt skeptisch: “Die deutsche Wirtschaft hat sich noch nicht aus ihrer hartnäckigen Schwächephase befreit.” Der Verband rechnet damit, dass das BIP in diesem Quartal gegenüber dem Vorquartal um 0,3 Prozent zurückgehen und im dritten Quartal stagnieren wird. Erst zum Jahresende dürfte sich die Wirtschaftstätigkeit beleben, sagte BVR-Chefvolkswirt Andreas Bley. Voraussetzung seien zügige wirtschaftspolitische Impulse der Bundesregierung.
HOFFNUNGSZEICHEN FÜR DEN BAU
Zu Jahresbeginn wurde in Deutschland auch mehr investiert als im vierten Quartal: Sowohl in Bauten (plus 0,5 Prozent) als auch in Ausrüstungen (plus 0,7 Prozent) waren die Investitionen höher als im Vorquartal. Dies ist ein Hoffnungszeichen für die angeschlagene Baubranche: Die Zahl der Neubauwohnungen war im vergangenen Jahr spürbar auf 251.900 gesunken.
Der Wohnungsbau kriselt seit längerem – wegen gestiegener Zinsen und Baukosten. Für viele Investoren lohnt sich das Bauen derzeit kaum. Die neue Bauministerin Verena Hubertz will zügig die Bedingungen verbessern, damit die Bagger wieder rollen können: “Wir werden zügig einen Wohnungsbauturbo vorlegen, steuerliche Anreize verbessern und Neubauförderprogramme radikal vereinfachen.”
(Bericht von Reinhard Becker und Klaus Lauer, Mitarbeit: Christian Krämer, redigiert von Thomas Seythal)