Merz kritisiert Israel scharf – Aber bei Sanktionen zurückhaltend

Turku/Berlin (Reuters) – Kanzler Friedrich Merz hat Israel erneut in scharfen Tönen für das Vorgehen in Gaza kritisiert – will aber derzeit nicht über Sanktionen reden.

In der Bundesregierung werde intern über Konsequenzen beraten, sagte der CDU-Vorsitzende am Dienstag im finnischen Turku auf die Frage nach Forderungen aus der SPD, Waffenlieferungen zu beenden. Man werde dann Entscheidungen treffen, die möglicherweise nicht öffentlich seien, fügte er in Anspielung auf den geheim tagenden Bundessicherheitsrat hinzu. Dieser genehmigt Waffenexporte. Ob Deutschland der Forderung einiger EU-Regierungen folgen wird, das EU-Israel-Assoziierungsabkommen auszusetzen, wollte Merz nach einem Treffen mit dem finnischen Ministerpräsidenten Petteri Orpo nicht sagen.

Der Kanzler verschärfte jedoch seine Kritik am israelischen Vorgehen. “Wir sind mehr als besorgt über die Intensivierung der militärischen Aktivitäten der israelischen Armee in Gaza, und wir sind bestürzt über das Schicksal der Zivilbevölkerung und das furchtbare Leiden”, sagte Merz. “Die massiven militärischen Schläge der israelischen Armee im Gazastreifen lassen für mich keine Logik mehr erkennen, wie sie dem Ziel dienen, den Terror zu bekämpfen und die Geiseln zu befreien.” Was gerade in den vergangenen Tagen passiert sei, “das erscheint mir als nicht mehr zwingend notwendig zur Verteidigung des Existenzrechts Israels und zur Bekämpfung des Terrorismus der Hamas”. Die Zivilbevölkerung werde in einem Übermaß in Mitleidenschaft gezogen. Man sei im Dialog mit der israelischen Regierung. Deutschland stehe aber weiter für das Existenzrecht Israels ein und fordere die Freilassung der israelischen Geiseln, betonte Merz.

“Was wir da gesehen haben im Gazastreifen, das ist inakzeptabel, dieses Leiden, dieses Töten, das muss ein Ende haben”, forderte auch der finnische Ministerpräsident Orpo. “Die humanitäre Hilfe muss sofort ankommen.” Dazu müsse man Druck auf Israel ausüben, aber auch dafür sorgen, dass die Hamas die Lebensmittel nicht abzweige. Israel hatte zuletzt seine Militäroffensive im Gaza gegen die Hamas verstärkt und Hilfslieferungen für die Bevölkerung bis auf wenige Ausnahmen unterbunden.

Der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, wies die Kritik an seinem Land zurück. Man höre gut zu, wenn Freunde Israels wie Kanzler Merz Kritik übten, sagte er im ZDF. Aber die Ratschläge müssten auch konstruktiv sein. Die israelische Regierung versuche die Geiseln zu befreien, die Hamas zu zerschlagen und die palästinensische Bevölkerung zu versorgen. Dabei gebe es wenig Spielraum, zumal die Hamas auch am Dienstagmorgen wieder Raketen auf Israel abgefeuert habe.

Prosor kritisierte Frankreich und Spanien scharf für die Ankündigung, einen palästinensischen Staat anerkennen zu wollen. Dies wäre eine Belohnung der Hamas, warnte er. In mehreren EU-Staaten gibt es solche Überlegungen – auch weil die israelische Regierung mittlerweile eine Vertreibung der rund zwei Millionen Palästinenser aus dem Gazastreifen ins Spiel gebracht hat und weiter die Annexion von Gebieten im besetzten Westjordanland durch radikale jüdische Siedler zulässt. Eine Sprecherin des deutschen Außenministeriums betonte am Montag, dass beide Gebiete palästinensisches Territorium seien.

(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Christian Rüttger Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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