Mehr Firmenpleiten in Deutschland – “Welle schwillt an”

Berlin (Reuters) – Die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland klettert weiter.

Bei den Regelinsolvenzen gab es im Juni einen Anstieg um 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Dieser Schnellindikator greift Meldungen der Plattform Insolvenzbekanntmachungen.de auf. Für die amtliche Statistik werden dann Daten der Gerichte verwendet, die nicht so schnell zur Verfügung stehen. “Die Welle der Unternehmensinsolvenzen schwillt weiter an”, sagte Chefanalyst Volker Treier von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Der Verband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) sieht aber trotz der vermehrten Insolvenzen in einzelnen Branchen derzeit keine flächendeckende Krise.

Für den April meldeten die Amtsgerichte nach endgültigen Ergebnissen 2125 beantragte Unternehmensinsolvenzen. Das waren 11,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. “Der höchste April-Wert seit elf Jahren signalisiert klar, dass Deutschland nach wie vor große Standortprobleme hat”, erklärte Treier. Das milliardenschwere Steuerpaket zur Entlastung von Unternehmen (Investitionsbooster), das der Bundesrat am Freitag billigte, müsse nun zügig umgesetzt werden.

AKTUELLE ZAHLEN WEIT UNTER NIVEAU VON FINANZKRISE 2008/09

Besonders viele Insolvenzen gab es in den Branchen Verkehr und Lagerei, Bau- und Gastgewerbe. Die Forderungen der Gläubiger werden auf rund 2,5 Milliarden Euro beziffert, nach rund 11,4 Milliarden Euro ein Jahr zuvor, als besonders viele wirtschaftlich bedeutende Firmen aufgegeben haben.

“Das Insolvenzgeschehen ist ein nachlaufender Indikator”, sagte der VID-Vorsitzende Christoph Niering und plädierte für eine “differenzierte Analyse anstelle pauschaler Alarmmeldungen”. Die aktuellen Insolvenzzahlen seien immer noch “deutlich unter den Niveaus der Jahre 2004 sowie 2008/2009 mit weit über 30.000 Unternehmensinsolvenzen”.

Experten zufolge hat der Anstieg weniger mit der konjunkturellen Dauerflaute in Deutschland zu tun. “Über viele Jahre hinweg haben extrem niedrige Zinsen Insolvenzen verhindert”, sagte der Leiter der Insolvenzforschung am Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Steffen Müller, jüngst. “Und während der Pandemie sind durch staatliche Stützungsmaßnahmen auch Unternehmen am Markt geblieben, die bereits zuvor schwach aufgestellt waren.” Der Zinsanstieg und der Wegfall dieser Hilfen hätten ab Mitte 2022 zu einem Nachholeffekt bei den Pleiten geführt. In den steigenden Insolvenzzahlen sieht Müller schmerzhafte, aber notwendige Marktbereinigungen und Strukturanpassungen, die Raum für zukunftsfähige Unternehmen schaffen könnten.

Gestiegen ist im April auch die Zahl der Verbraucherinsolvenzen. Sie erhöhte sich um 0,8 Prozent auf 6328, wie das Statistikamt mitteilte.

(Bericht von Rene Wagner und Klaus Lauer, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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