Air-India-Chef: Keine voreiligen Schlüsse über Absturzursache

Neu-Delhi (Reuters) – Die Fluggesellschaft Air India hat sich nach Veröffentlichung des ersten Berichts zu den Ursachen des Absturzes ihres Boeing Dreamliners gegen voreilige Schlussfolgerungen ausgesprochen.

Der Bericht vom vergangenen Freitag liefere zusätzliche Details zu dem Unglück, bei dem am 12. Juni 260 Menschen ums Leben kamen. “Wenig überraschend sorgte er sowohl für mehr Klarheit als auch für zusätzliche Fragen”, erklärte Airline-Chef Campbell Wilson am Montag in einem internen Memo, das Reuters vorlag. Der Bericht habe weder eine Ursache genannt noch Empfehlungen ausgesprochen. “Daher bitte ich alle dringend, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, da die Untersuchung noch lange nicht abgeschlossen ist.”

Nach dem Bericht der zuständigen indischen Behörde AAIB waren bei der Boeing 787, die in Ahmedabad kurz nach dem Start in ein Wohngebiet stürzte, beide Schalter für die Treibstoffzufuhr fast gleichzeitig umgelegt worden. Auf den Aufnahmen des Stimmenrekorders sei zu hören, wie ein Pilot den anderen fragt, warum er die Treibstoffzufuhr unterbrochen habe. “Der andere Pilot antwortete, dass er dies nicht getan habe.” Die Schalter wurden an der Absturzstelle in der “Ein”-Position vorgefunden. In Wilsons Memo hieß es weiter, der vorläufige Bericht habe keine mechanischen Mängel oder Wartungsfehler festgestellt.

SUCHE NACH TECHNIKFEHLER

In dem Bericht wies die AAIB auf eine Sicherheitsempfehlung der US-Flugsicherheitsbehörde FAA von 2018 zu mehreren Boeing-Modellen einschließlich der 787 hin, die Sperrfunktion der Treibstoffzufuhrschalter darauf hin zu überprüfen, dass sie nicht versehentlich bewegt werden könnten. Air India habe erklärt, diese Inspektion nicht vorgenommen zu haben, da sie nicht verpflichtend war. Einem internen Dokument und Insidern zufolge erklärten die FAA und Boeing, die Sperrfunktion sei sicher und gebe keinen Anlass zu Empfehlungen mit Blick auf die Flugtüchtigkeit der Maschinen. Im AAIB-Bericht hieß es, alle Anweisungen und Warnmeldungen für Flugzeuge und Triebwerke seien eingehalten worden. Aus Wartungsaufzeichnungen ging jedoch hervor, dass das Modul zur Steuerung von Drosselklappen wie der Treibstoffzufuhr an der Unglücksmaschine 2019 und 2023 ausgetauscht worden war.

Auch die internationale Pilotenvereinigung ALPA wies auf die 2018 bekannt gewordene mutmaßliche Schwachstelle hin. Der Verband wies Spekulationen über einen Pilotenfehler zurück und forderte eine faire, faktenbasierte Untersuchung, an der ALPA als Beobachterin teilnehmen sollte. Der deutsche Pilotenverband Vereinigung Cockpit wandte sich am Wochenende gegen Vermutungen in Medienberichten, einer der beiden Piloten habe Selbstmord begangen. “Aus Sicht der VC lässt der bisher vorgelegte Bericht jedoch keinen eindeutigen Schluss auf eine absichtliche Handlung zu.”

Südkorea will unterdessen alle Fluggesellschaften des Landes mit Boeing-Modellen anweisen, die Treibstoffschalter zu überprüfen. Die Kontrollen knüpften an die Empfehlung der FAA von 2018 an, erklärte ein Sprecher des Verkehrsministeriums.

(Bericht von Aditya Kalra, Lisa Barrington, David Shepardson, Abhijith Ganapavaram, Allison Lampert, Ilona Wissenbach, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

tagreuters.com2025binary_LYNXMPEL6D09D-VIEWIMAGE