Börsianer blicken trotz Zollstreit optimistischer auf deutsche Konjunktur

Berlin (Reuters) – Trotz des internationalen Zollkonflikts nimmt der Optimismus der Börsianer mit Blick auf die deutsche Wirtschaft weiter zu.

Das Barometer für die Konjunkturaussichten in den kommenden sechs Monaten stieg im Juli um 5,2 Punkte auf 52,7 Zähler. Das teilte das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag zu seiner Umfrage unter 193 Investoren und Analysten mit. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur einen Anstieg auf 50,3 Punkte erwartet.

“Nach den kräftigen Aufhellungen der vergangenen zwei Monate verfestigt sich die positive Stimmung unter den Befragten”, sagte ZEW-Präsident Achim Wambach. Trotz anhaltender Unsicherheit im Zusammenhang mit globalen Handelskonflikten erwarten knapp zwei Drittel der Experten eine Verbesserung der deutschen Konjunktur: “Die Hoffnung auf eine baldige Lösung des US-EU-Zollstreits sowie potenzielle Wirtschaftsimpulse durch das geplante Investitionssofortprogramm der Bundesregierung scheinen das Stimmungsbild zu dominieren”, erläuterte Wambach.

“EIN WEITERER HOFFNUNGSSCHIMMER”

US-Präsident Donald Trump hatte am Wochenende mit Sonderzöllen von 30 Prozent auf Importe aus der EU und Mexiko gedroht. Die neuen Abgaben sollen vom 1. August an gelten. Die EU hofft trotz der jüngsten US-Drohungen mit hohen Sonderzöllen allerdings weiter auf eine Verhandlungslösung.

Zwar habe die Juli-Umfrage die jüngsten Zolldrohungen Trumps noch nicht komplett erfasst, meint Claus Niegsch, Branchenanalyst der DZ Bank. Der erneute Anstieg der Konjunkturerwartungen sei aber “ein weiterer Hoffnungsschimmer” für die hiesige Wirtschaft. Vor allem mit Blick auf die USA bleibe Deutschlands Exportabhängigkeit ein Risiko.

Auch der Chefökonom der VP Bank, Thomas Gitzel, sieht dies ähnlich: Die Zollpolitik des US-Präsidenten stelle für die deutsche Industrie sogar ein erhebliches Risiko dar: “Selbst wenn eine Verhandlungslösung zustande kommt, die vorhandenen Unsicherheiten könnten bereits größeren Schaden angerichtet haben. Je höher nämlich die Unsicherheiten sind, desto weniger wird investiert.”

Die Konjunktur in Deutschland dürfte dem Wirtschaftsministerium zufolge im Frühjahr bereits an Schwung verloren haben. Trotz aufgehellter Geschäftserwartungen blieben Industrieproduktion und Aufträge schwankungsanfällig. Die deutsche Wirtschaft hatte im ersten Quartal um 0,4 Prozent zugelegt. Viele Fachleute erwarten allerdings für die weiteren Quartale geringere Wachstumsraten.

(Bericht von Reinhard Becker, redigiert von Ralf Banser – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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