US-Inflation zieht im Juni an: “Deutliche Zolleffekte nicht erkennbar”

Washington (Reuters) -Die US-Inflation ist in Zeiten des internationalen Zollkonflikts wieder auf dem Vormarsch. Die Verbraucherpreise legten im Juni um 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu, wie das Arbeitsministerium am Dienstag in Washington mitteilte. Von Reuters befragte Volkswirte hatten einen Wert von 2,6 Prozent erwartet, nach 2,4 Prozent im Mai. Die Verbraucherpreise zogen von Mai auf Juni um 0,3 Prozent an. Experten hatten exakt mit diesem Zuwachs gerechnet. Viele Händler gehen weiterhin davon aus, dass die Notenbank Ende des Monats noch stillhält und im September eine erste Zinssenkung im laufenden Jahr starten kann.

“Deutliche Zolleffekte sind nicht erkennbar”, meint VP Bank-Chefvolkswirt Thomas Gitzel: Die Teuerung gegenüber dem Vormonat von 0,3 Prozent könne nicht als Zeichen eines hohen Inflationsdrucks gewertet werden. Die Verbraucherpreisdaten ließen die Anleger weitgehend kalt. Der Dax, der EuroStoxx und die Futures für die wichtigsten US-Indizes verharrten bei ihren leichten Gewinnen. Unbeeindruckt zeigten sich auch die Anleger an den Devisen- und Anleihemärkten.

US-Präsident Donald Trump hatte im April hohe Sonderzölle für Importe aus Dutzenden Ländern verkündet, die er später teilweise wieder aussetzte. Ein Basiszollsatz von zehn Prozent blieb allerdings bestehen.

NEUWAGEN BILLIGER, KLEIDUNG TEURER

US-Notenbankchef Jerome Powell hat bereits gewarnt, Zollerhöhungen in diesem Jahr dürften die Preise in die Höhe treiben. “Obgleich die Unternehmer in Umfragen angeben, die Last der Erhöhung der US-Einfuhrzölle auf die Verbraucher weiter zu wälzen, fehlt in der aktuellen Inflationsstatistik wieder einmal jegliche Spur davon”, so die Analyse von LBBW-Analyst Dirk Chlench. Ob die US-Zollpolitik allmählich den US-Konsumenten erreiche, sei noch nicht mit Bestimmtheit zu sagen, meinte Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank. Er verwies darauf, dass beispielsweise die Preise für Neuwagen gefallen seien: “Gleichzeitig ist Bekleidung, die zu einem großen Teil aus Asien importiert wird, überdurchschnittlich teurer geworden”, so der Experte. 

Trotz der Rufe aus dem Weißen Haus nach einer Zinssenkung hielt die unabhängige US-Zentralbank den Schlüsselsatz zuletzt in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent. Die Federal Reserve will mehr Klarheit darüber gewinnen, wie sich die Handelspolitik Trumps auf die Inflation und den Arbeitsmarkt auswirkt. Letztendlich dürften Preisüberwälzungen nicht ganz ausbleiben, erwartet Fed-Beobachter Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank: “Im Offenmarktausschuss der Fed scheint der Rückhalt für die bislang abwartende Position zu bröckeln. Ab September dürfte es mit den Leitzinsen langsam abwärtsgehen.”

(Büro Washington, geschrieben von Reinhard Becker, Mitarbeit Zuzanna Szymańska, redigiert von Christian Rüttger Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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