Damaskus (Reuters) – Nach tagelangen Kämpfen und einer von den USA vermittelten Waffenruhe haben sich die syrischen Regierungstruppen aus der Drusen-Stadt Sweida zurückgezogen.
Der syrische Machthaber Ahmed al-Scharaa warf Israel, das sich als Schutzmacht der Drusen versteht, am Donnerstag vor, das Land spalten zu wollen. Er versprach, die drusische Minderheit zu schützen. In dem überwiegend von Drusen bewohnten Sweida im Süden Syriens waren in den vergangenen Tagen bei Kämpfen zwischen Regierungstruppen und drusischen Kämpfern zahlreiche Menschen getötet worden. Scharaa führte den Rückzug auf die Vermittlung der USA, arabischer Staaten und der Türkei zurück, die “die Region vor einem ungewissen Schicksal bewahrt” habe.
Ein lokaler Journalist berichtete, er habe am Donnerstagmorgen mehr als 60 Leichen in den Straßen von Sweida gezählt. Ryan Marouf von der Nachrichtenplattform Suwayda24 sagte zu Reuters, er habe in einem Haus eine zwölfköpfige Familie tot aufgefunden, darunter Frauen und einen älteren Mann. Das Syrische Netzwerk für Menschenrechte (SNHR) teilte mit, es habe in vier Tagen 193 Tote dokumentiert, darunter medizinisches Personal, Frauen und Kinder. Ein Reporter der Nachrichtenagentur Reuters beobachtete, wie Regierungskämpfer im Lauf der Woche Häuser plünderten und niederbrannten. Zudem rasierten sie drusischen Männern die Schnurrbärte ab. Diese werden von vielen Drusen als Symbol der religiösen und kulturellen Identität mit spiritueller Bedeutung getragen.
Die Gewalt in Syrien war am Mittwoch eskaliert, als Israel Luftangriffe auf Damaskus flog und gleichzeitig Regierungstruppen im Süden angriff. Die israelische Regierung forderte deren Rückzug und erklärte, sie wolle die syrischen Drusen schützen. “Wir werden nicht zulassen, dass Südsyrien zu einer Hochburg des Terrors wird”, sagte der israelische Generalstabschef Ejal Samir. Auch in Israel und auf den besetzten Golan-Höhen leben zahlreiche Drusen. US-Außenminister Marco Rubio sagte am späten Mittwoch, die USA hätten alle beteiligten Parteien kontaktiert und es seien Schritte vereinbart worden, um “diese beunruhigende und schreckliche Situation” zu beenden. Aus türkischen Sicherheitskreisen verlautete, die Regierung in Ankara habe eine entscheidende Rolle bei der Wahrung der Waffenruhe gespielt.
“SPIELFELD REGIONALER SPANNUNGEN”
Der UN-Sicherheitsrat will sich Diplomaten zufolge am Donnerstag mit dem Konflikt befassen. Die Gewalt unterstreicht die Herausforderungen für Interimspräsident Scharaa, Syrien zu stabilisieren. Scharaa war einst Kommandeur eines Al-Kaida-Ablegers, wandte sich aber 2016 von der Islamisten-Organisation ab. Aktuell sieht er sich tiefem Misstrauen in Teilen der syrischen Bevölkerung ausgesetzt, die eine islamistische Herrschaft fürchten. Die Drusen sind eine arabische Religionsgemeinschaft, die aus dem Islam hervorgegangen ist, sich aber nicht als muslimisch betrachtet.
Bundesaußenminister Johann Wadephul verurteilte die Übergriffe “aufs Schärfste”. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, erklärte er. “Dass die Waffen jetzt schweigen – auch nach Vermittlung durch unsere amerikanischen Partner – ist eine gute Nachricht.” Entscheidend sei jetzt, “dass sich alle Parteien an die Abmachung halten und die Kampfhandlungen einstellen”. Die syrische Regierung müsse ihre Staatsbürger unabhängig von Konfession oder Ethnie schützen. “Mit Blick auf die israelischen Luftschläge, auch in Damaskus, rufe ich alle inländischen und ausländischen Akteure auf, nichts zu unternehmen, was die Stabilität Syriens und den Transitionsprozess gefährden könnte.” Syrien dürfe nicht zum “Spielfeld regionaler Spannungen” werden.
(Bericht von Timour Azhari, Suleiman al-Khalidi und Kinda Makieh in Damaskus, Maya Gebeily in Beirut, Muhammad Al Gebaly in Kairo und Alexander Ratz in Berlin; Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)