Durban/Berlin (Reuters) – Die Bundesregierung setzt im Handelsstreit der EU mit den USA weiter auf harte Verhandlungen.
“Es wird keinen Deal um jeden Preis geben”, sagte Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) am Freitag beim G20-Treffen im südafrikanischen Durban. Kanzler Friedrich Merz (CDU) betonte bei seiner Sommerpressekonferenz in Berlin, extrem niedrige Zölle seien nicht mehr realistisch, weil die US-Regierung stark auf Zölle setze und diese als Einnahmequelle zur Finanzierung ihrer Steuersenkungen brauche. Experten fürchten, dass eine Eskalation im Zollstreit alle Bemühungen der Bundesregierung mit Reformen und Investitionen zunichtemachen könnte, die lahmende deutsche Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen.
Merz sagte, er dränge die EU und die USA zu einem Kompromiss mit möglichst niedrigen Sätzen. Er habe aber keine Hoffnung mehr, dass es eine Null-Zoll-Lösung geben werde. Denn US-Präsident Donald Trump brauche die Zolleinnahmen, um seine Steuersenkungen gegenfinanzieren zu können. “Je niedriger die Zölle ausfallen auf beiden Seiten, umso besser ist es für beide Seiten.” Ob es am Ende unterschiedliche Zollsätze für verschiedene Branchen gebe, sei noch unklar.
Die Europäer müssen Klingbeil zufolge geschlossen und entschlossen sein. Es werde ohne eine Verständigung mit den USA Gegenmaßnahmen geben. Ziel sei es, Jobs in Europa zu schützen. Der Handelskonflikt belaste die Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks und bringe nur Verlierer hervor. Deswegen brauche es möglichst schnell eine Lösung. Deutschland sei als exportabhängige Nation auf offene Märkte sowie klare und faire Regeln im Handel angewiesen.
Bundesbank-Präsident Joachim Nagel warnte beim Treffen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) vor einem zu starken Entgegenkommen der EU. “Es geht meine Aufforderung an die US-Seite, hier nicht mit der Situation ein Stück weit zu spielen. Am Ende steht ja unser aller Wohlstand hier auf dem Spiel, wenn man möglicherweise Wirtschaftspolitik macht, die global großen Schaden anrichten kann.” Am Donnerstag hatte er Reuters bereits gesagt, bei einer Eskalation im Zollstreit könne eine Rezession in Deutschland nicht mehr ausgeschlossen werden.
Trump hat Europa mit pauschalen Zöllen von 30 Prozent gedroht, die ab Anfang August greifen würden. Bis dahin wird eine Verhandlungslösung angestrebt. Beide Seiten hatten zuletzt betont, dass es Annäherungen gibt, aber auch weiter Differenzen.
EMPFEHLUNG: HART VERHANDELN MIT USA
Die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier rechnet mit sinkenden Preisen in Europa, falls Trump die Zölle auf 30 Prozent setzt. Die in Kalifornien lehrende Ökonomin sagte dem “Spiegel”, höhere Zölle führten dazu, dass Waren nicht in die USA exportiert würden. “Die müssen irgendwo anders hin, etwa innerhalb des europäischen Markts. Hier gäbe es dann mehr Angebot und damit sehr wahrscheinlich sinkende Preise.” Dies gelte selbst dann, wenn europäische Unternehmen langfristig weniger produzierten. Schließlich müsse auch China seine Güter verkaufen. Und Südamerika brauche neue Abnehmer für Soja und Rindfleisch, wenn die USA als Exportmarkt ausfielen: “Davon könnten wir in Deutschland profitieren.”
Die EU solle sich von Trump nicht erpressen lassen, ergänzte Malmendier. Es gelte, hart zu verhandeln: “Das Ziel der EU muss sein, wieder weitgehend zollfrei in die USA exportieren zu können.” Selbst die jetzigen Zölle von meist zehn Prozent führten dazu, dass sich die Ausfuhr wichtiger Güter – wie etwa mancher deutscher Automodelle – nicht mehr lohne: “Wenn sich die Exportabgaben aber erst einmal etabliert haben, dann wird es schwierig, sie je wieder wegzubekommen. Sie würden die Ära Trump um Jahre überdauern. Allein um das zu verhindern, müssen wir härter verhandeln.”
Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva bezeichnete die US-Zölle als Erpressung. In einer Fernseh- und Radioansprache sagte er: “Wir haben eine Antwort erwartet, und was wir erhalten haben, war eine inakzeptable Erpressung in Form von Drohungen gegen brasilianische Institutionen und falschen Informationen über den Handel zwischen Brasilien und den Vereinigten Staaten.”
(Bericht von Maria Martinez, Christian Krämer, Reinhard Becker und Andreas Rinke, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)