– von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) – Nach einem Treffen mit Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft im Kanzleramt erwartet Bundeskanzler Friedrich Merz einen großen Investitionsschub in Deutschland.
“Wir stehen hier vor einer der größten Investitionsinitiativen, die wir in Deutschland in den letzten Jahrzehnten gesehen haben”, sagte er am Montag in Berlin. Zuvor hatte die von 61 Firmen gegründete Initiative “Made for Germany” Investitionen bis 2028 in Höhe von 631 Milliarden Euro angekündigt. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sprach sogar davon, dass diese Summe noch höher ausfallen werde. Siemens-Chef Roland Busch betonte vor allem die Notwendigkeit eines Aufbruchs in ein digitales Zeitalter in der Industrie. “Wir haben heute damit begonnen, mit einer neuen Form der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik”, sagte Busch.
Zunächst war unklar, wie viel von den angekündigten Investitionssummen neue Zusagen sind. Diese Summe umfasse sowohl bereits geplante als auch neue Kapitalinvestitionen, Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie Zusagen internationaler Investoren, teilte die Wirtschafts-Initiative in ihrer Mitteilung mit. “Ein dreistelliger Milliardenbetrag und damit ein signifikanter Anteil der Gesamtsumme entfällt auf Neuinvestitionen.” Ziel sei es, mit der Initiative ein starkes positives Signal zu setzen, dass Deutschland ein attraktiver Investitionsstandort sei. “Das ist ein ganz wuchtiges Signal, nicht nur an die eigene Bevölkerung, sondern auch an ausländische Investoren”, sagte auch Regierungssprecher Stefan Kornelius. Er wies Kritik an der Zusammensetzung der Gruppe sowie den Äußerungen der Firmen zurück. In Teilnehmerkreisen hieß es, die Summe von 631 Milliarden Euro sei deutlich höher als zunächst von den Unternehmen avisiert.
ÖKONOMEN BLEIBEN ZURÜCKHALTEND
An dem kurzen Treffen mit den – überwiegend männlichen – Wirtschaftsvertretern im Kanzleramt hatten neben Kanzler Merz auch Vizekanzler Lars Klingbeil und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche teilgenommen. Merz hatte bereits am vergangenen Dienstag die Chefs internationaler Finanzfirmen und -fonds empfangen und danach von einem neuen hohen Interesse am Standort Deutschland gesprochen. Dies hängt auch mit der Verunsicherung vieler Firmen und Investoren in den USA unter Präsident Donald Trump zusammen. “Wir wollen, dass jetzt massiv in die Zukunft unseres Landes investiert wird”, teilte Vizekanzler und SPD-Co-Chef Lars Klingbeil mit. Wie Merz verwies er auf die Reformen, die die schwarz-rote Regierung mit dem sogenannten Investitionsbooster, aber auch der Lockerung der Schuldenbremse für Investitionen auf den Weg gebracht habe.
Ökonomen äußerten sich mit gemischten Einschätzungen zu der Initiative. So sieht Ifo-Präsident Clemens Fuest die angekündigten Investitionen deutscher Firmen als Schritt in die richtige Richtung. Er warnt aber vor zu viel Euphorie und einem Strohfeuer. “Das ist ein guter Anschub für die Wirtschaft”, sagte der Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts am Montag im rbb-Inforadio mit Blick auf staatliche Investitionsanreize und Ausgabenpläne der Wirtschaft. Die Frage sei, ob dies wirklich nachhaltig sei. Die Ankündigungen der Großunternehmen seien “erst mal Werbung”. Regierungssprecher Kornelius wies dies zurück: “Das ist keine PR-Aktion, sondern es ist eine konzertierte Aktion, wo Regierung und Industrie zeigen, dass in diesem Land Investitionen möglich sind.”
Jens Boysen-Hogrefe, stellvertretender Leiter der Konjunkturforschung im Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW), kritisierte, dass nur große Konzerne im Kanzleramt vertreten sind. “Zentral ist, dass der Staat den Impuls mitnimmt und sich weiter auf den Weg macht, die Standortqualität für Investitionen zu verbessern. Und vor allem auch gerade für Unternehmen, die nicht mit am Tisch sitzen”, sagte er dem Radio-Sender Bayern 2. “Natürlich geht es aus Sicht der Unternehmen um sehr viele Aufträge, die demnächst der Staat aushändigen wird angesichts der neuen Kreditmöglichkeiten.”
Regierungssprecher Kornelius verwies darauf, dass der Kanzler mit Mittelstand und Handwerk ständig im Austausch stehe. Im Übrigen deckten sich die Ziele der Wirtschaft und der Regierung, die etwa eine Vereinfachung von Planungsverfahren sowie die Erleichterung von Investitionen im Zentrum ihrer Koalitionsvereinbarung verankert habe.
Deutsche-Bank-Chef Sewing und der Siemens-CEO Busch mahnten weitere Reformen der Regierung an. “Das sind gute und richtige Voraussetzungen für eine Wachstumswende, aber wir brauchen noch mehr davon”, sagte Sewing zu den verabschiedeten Gesetzen. Auch DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov forderte gegenüber der “Rheinischen Post” verbesserte Rahmenbedingungen für Investitionen und konsequente Reformen von der Bundesregierung. “Wenn Investitionen ausbleiben, liegt das nicht nur am Geld, sondern auch am Umfeld”, mahnte sie.
Zu den Initiatoren gehören nach eigenen Angaben der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Christian Sewing, Siemens-Chef Roland Busch, der Vorstandsvorsitzende des Medienkonzerns Axel Springer, Mathias Döpfner, sowie Alexander Geiser, CEO der Finanz-PR-Agentur FGS Global. Zu den 61 Unternehmen, die der Initiative bisher beigetreten sind, gehören etwa auch die Allianz, Airbus, BMW, Deutsche Börse, Mercedes-Benz , Rheinmetall, SAP, Volkswagen, aber auch die US-Konzerne Nvidia, Blackrock und Blackstone.
(Bericht von Andreas Rinke und Klaus Lauer; redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)