Rufe aus SPD nach Kurswechsel in Israel-Politik

Berlin (Reuters) – Aus der SPD werden die Stimmen lauter, die einen Kurswechsel der Bundesregierung in der Israel-Politik fordern.

Fraktionschef Matthias Miersch und Entwicklungshilfeministerin Reem Alabali Radovan als erstes Mitglied der Bundesregierung forderten am Dienstag, den Druck auf die Regierung in Jerusalem zu erhöhen. Deutschland sollte sich der Initiative mehrere Partnerstaaten anschließen, die ein sofortiges Ende des Kriegs im Gazastreifen forderten, mahnten beide. “Es braucht jetzt – nicht irgendwann – einen sofortigen und nachhaltigen Waffenstillstand”, sagte Alabali Radovan der “Rheinischen Post”.

Am Montag hatten 25 westliche Staaten ein sofortiges Ende des Gaza-Krieges gefordert und das “inhumane Töten” von Palästinensern verurteilt. Zu den Unterzeichnern zählen unter anderem Frankreich, Großbritannien, Italien sowie Kanada und Japan. Deutschland ist nicht dabei. Alabali Radovan sagte, sie hätte sich gewünscht, dass auch Deutschland die Initiative unterstütze. Ähnlich äußerte sich auch Miersch. “Wenn internationales Recht systematisch verletzt wird, muss das Konsequenzen haben”, sagte der SPD-Fraktionschef dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die humanitäre Lage im Gazastreifen sei erschütternd. “Menschenrechte sind unteilbar, egal, wo auf der Welt. Zivilisten dürfen niemals militärische Ziele sein.”

Deutschland trage zwar eine besondere Verantwortung für die Sicherheit Israels und das Existenzrecht des jüdischen Staates, “aber eben auch für die Einhaltung des Völkerrechts und den Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung”, erklärte Miersch. “Diese Verantwortung verpflichtet uns, auch in schwierigen Momenten auf Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu drängen, so wie wir es auch in anderen Konflikten tun. Doppelte Standards untergraben unsere internationale Glaubwürdigkeit.”

“SO NICHT AKZEPTABEL”

Auch weitere SPD-Politiker sprachen sich für einen Kurswechsel aus. “Es ist an der Zeit, dass sich die Bundesregierung den Initiativen auf europäischer Ebene anschließt, bestehende Kooperationen wie das Assoziierungsabkommen auf Eis legt und weitere Maßnahmen, wie den Stopp von Waffenexporten an die israelische Regierung, die völkerrechtswidrig eingesetzt werden, durchsetzt”, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung des außenpolitischen Sprechers der Fraktion, Adis Ahmetović, und des früheren Fraktionschefs Rolf Mützenich.

Die Bundesregierung betont immer wieder, dass sie den Dialog mit der israelischen Regierung suche. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es am Dienstag, zu allen Themen der Erklärung der Partner habe Außenminister Johann Wadephul am Montag direkt mit dem israelischen Außenminister Gideon Saar gesprochen. “Insbesondere hat er seine größte Sorge über die katastrophale humanitäre Lage in Gaza ausgedrückt und die israelische Regierung dringend dazu aufgefordert, die Vereinbarung mit der EU zur Ermöglichung humanitärer Hilfe umzusetzen”, hieß es aus dem Ministerium weiter. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte das Vorgehen Israels im Gazastreifen am Montag scharf kritisiert. “Das ist so nicht akzeptabel, wie die israelische Armee dort vorgeht”, sagte Merz in Berlin. Dies habe er dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in einem Telefonat vergangenen Freitag auch mitgeteilt.

Der Leiter des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini, berichtete von immer schwierigeren Arbeitsbedingungen für die Helfer. Mitarbeiter seiner Organisation sowie Ärzte und andere Helfer im Gazastreifen litten so sehr unter Hunger und Erschöpfung, dass einige während ihrer Arbeit ohnmächtig würden, teilte er am Dienstag mit. Das UNRWA habe Dutzende Notrufe von seinen Mitarbeitern erhalten, die schwerwiegende Bedingungen und Erschöpfung in dem Gebiet beschreiben, in dem Israel seit Oktober 2023 Krieg gegen die radikal-islamische Hamas führt, auch um die verbliebenen Geiseln aus der Gewalt der Extremisten zu befreien. “Niemand bleibt verschont: Auch die Helfer in Gaza brauchen Hilfe. Ärzte, Krankenschwestern, Journalisten und humanitäre Helfer leiden Hunger”, erklärte Lazzarini. “Viele werden inzwischen während ihrer Arbeit ohnmächtig – sei es beim Berichten über Gräueltaten oder beim Lindern des Leids.”

(Bericht von Sarah Marsh, Alexander Ratz, Mitarbeit von Olivia Le Poidevin; Redigiert von Christian Götz.; Bei Rückfragen wenden Sie sich an berlin.newsroom@tr.com)

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