Stimmung in Wirtschaft steigt – “Im Schneckentempo zu mehr Zuversicht”

– von Rene Wagner und Christian Krämer

Berlin (Reuters) – Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Unternehmen ist trotz des ungelösten Zollstreits mit den USA so gut wie seit über einem Jahr nicht mehr.

Der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg im Juli angesichts geplanter Milliarden-Investitionen der Bundesregierung um 0,2 auf 88,6 Punkte. Das ist der fünfte Anstieg in Folge und der beste Wert seit Mai 2024, wie das Ifo-Institut am Freitag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Managern mitteilte. Seit Jahresbeginn geht es für das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer stetig bergauf, unterbrochen nur von einer Stagnation im Februar. Ökonomen hatten jedoch einen kräftigeren Anstieg auf 89,0 Punkte erwartet. “Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft bleibt blutleer”, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest.

Die Aussichten für die kommenden sechs Monate bewerteten die Ökonomen etwas positiver, ihre aktuelle Geschäftslage ebenso. “Für die deutsche Wirtschaft gilt: Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen”, sagte Ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe angesichts der nur geringfügigen Verbesserungen. In der Industrie hellte sich die Stimmung ebenso auf wie in der Baubranche. Bei den Dienstleistern und im Handel trübte sie sich dagegen ein. “Es wird viel gespart”, erklärte Wohlrabe. “Das sind keine guten Nachrichten für den Handel.” Viele Branchen litten zudem unter einem Auftragsmangel, etwa in der Industrie.

Einen kräftigen Aufschwung erwarten die meisten Ökonomen daher vorerst nicht. “Die Stimmung der Unternehmen liegt weiterhin sehr deutlich unter ihrem langjährigen Durchschnitt, und die Zuversicht kommt nur im Schneckentempo zurück”, sagte DekaBank-Volkswirt Andreas Scheuerle. “Angesichts der möglichen Belastungen durch die US-Zollpolitik ist das wenig überraschend.” Legen US-Präsident Donald Trump und die Europäische Union in den kommenden Tagen ihren Handelskonflikt nicht bei, drohen den Exporteuren ab August deutlich höhere Zölle für Lieferungen zu ihrem wichtigsten Kunden USA. Die jetzt schon geltenden höheren Zölle schlagen bereits auf das Geschäft vieler Unternehmen durch: Europas größter Autobauer Volkswagen kappte deshalb seine Prognose, während der Sportartikelhersteller Puma einen Umsatzeinbruch von mindestens zehn Prozent im laufenden Geschäftsjahr befürchtet.

“FEHLENDER NEUSTART”

Die gestiegenen Geschäftserwartungen müssten sich erst noch bewahrheiten, sagte deshalb der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger: “Sie erscheinen zudem brüchig, sollte der US-Basiszoll von zehn Prozent im August deutlich steigen.” Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht zwar im erneuten Ifo-Anstieg ein Aufwärtssignal. “Aber wir erwarten für das kommende Jahr nur deshalb ein recht starkes Wachstum von 1,4 Prozent, weil die Bundesregierung in großem Umfang Ausgaben aus dem Kernhaushalt in das Sondervermögen verschiebt und die freigewordenen Mittel rasch ausgibt”, betonte Krämer. “Dieser Fiskalimpuls facht die Konjunktur unvermeidlich an, auch wenn die langfristigen Wachstumsaussichten wegen des fehlenden Neustarts in der Wirtschaftspolitik weiter äußerst verhalten sind.”

Viele harte Konjunkturdaten sind zuletzt schwächer ausgefallen. So setzten die Einzelhändler im Mai weniger um, während die Exporteure weniger ins Ausland verkauften – nicht zuletzt wegen des ungelösten Zollstreits mit den USA, dem größten Abnehmer von Waren “Made in Germany”. “Konjunkturell waren zuletzt gemischte Signale zu verzeichnen”, heißt es im aktuellen Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums.

Im ersten Quartal 2025 ist die deutsche Wirtschaft um überraschend kräftige 0,4 Prozent gewachsen. Für das zurückliegende zweite Quartal rechnen Experten jedoch mit einem Rückschlag: Das Bruttoinlandsprodukt dürfte um 0,1 Prozent schrumpfen, sagen von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen voraus. Eine erste Schätzung zum Abschneiden von Europas größter Volkswirtschaft im Frühjahr will das Statistische Bundesamt kommenden Mittwoch veröffentlichen. “Im zweiten Halbjahr erwarten wir leicht positive Wachstumsraten”, sagte Ifo-Experte Wohlrabe. “Es fehlt aber etwas der Schwung, die Dynamik.”

(redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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