– von Holger Hansen
Berlin (Reuters) – Die Bundesregierung plant für das Jahr 2026 neue Schulden von 174,3 Milliarden Euro.
In seinem der Nachrichtenagentur Reuters am Montag vorliegenden Etatentwurf geht Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) damit von einem um rund 31 Milliarden höheren Kreditbedarf als im laufenden Jahr aus. Maßgeblich für den Schuldenaufwuchs seien der Hochlauf der Investitionen und stark steigende Verteidigungsausgaben. Trotz der bis 2029 vorgesehenen Gesamtneuverschuldung von 851 Milliarden Euro klafft für die Jahre 2027 bis 2029 noch eine Finanzierungslücke von rund 172 Milliarden Euro. Klingbeil mahnt daher Ausgabendisziplin an. Beim Bürgergeld sollen 2026 1,5 Milliarden Euro gespart werden.
Das Kabinett will den Etatentwurf am Mittwoch beschließen. Rein rechnerisch wird die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse eingehalten. Den Spielraum für die hohe Kreditaufnahme hatte sich die Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD bereits vor ihrem Amtsantritt mit zwei Grundgesetzänderungen verschafft. Für Verteidigungsausgaben wurde die Schuldenbremse faktisch außer Kraft gesetzt, während für Infrastruktur und Klimaneutralität ein kreditfinanzierter 500-Milliarden-Euro-Sonderetat geschaffen wurde.
“Die schwarz-rote Koalition macht keine Politik, um Deutschland in die Zukunft zu führen, sondern verwaltet die Vergangenheit”, warf Grünen-Chefhaushälter Sebastian Schäfer Union und SPD vor. “Gesellschaftliche Realitäten und ökologische wie globale Herausforderungen ignoriert sie sträflich.” Stattdessen würden durch Wahlgeschenke und Partikularinteressen weitere Milliarden-Löcher im Haushalt aufgerissen.
EINE BILLION EURO FINANZBEDARF IM PLANUNGSZEITRAUM BIS 2029
Neue Schulden und die noch ungedeckten Haushaltslöcher summieren sich im Finanzplan bis 2029 auf mehr als eine Billion Euro. Angesichts dieser Lücke ruft Klingbeil alle Ministerien zu strikter Ausgabendisziplin auf. “Das bedeutet nicht nur, auf Ausgabenwünsche verzichten zu müssen, sondern auch, Bestehendes zu hinterfragen”, heißt es in der Kabinettsvorlage. Die Finanzierungslücke sei seit Juni nochmals gewachsen. Als Gründe werden die Kompensation von Einnahmeausfällen bei Ländern und Kommunen durch den “Wachstumsbooster”, die frühere Ausweitung der Mütterrente ab 2027 sowie höhere Zinslasten genannt, die auf 66,5 Milliarden Euro im Jahr 2029 steigen.
Die Schließung der Finanzierungslücken ab dem Jahr 2027 sei die “zentrale finanzpolitische Herausforderung für die nächsten Monate und Jahre”, hieß es im Finanzministerium. Die Regierung setze dabei vor allem auf stärkeres Wachstum. Es gebe “eine berechtigte Hoffnung, dass sich das Wachstumsumfeld spürbar verbessern könnte im Vergleich zu unserer Frühjahrsprojektion”. Allerdings müsse noch intensiver analysiert werden, was die Einigung zwischen der EU und den USA im Zollstreit bedeute.
Der Etat für 2026 sieht Gesamtausgaben von 520,5 Milliarden Euro vor. Der Wehretat soll von 62,4 Milliarden Euro auf 82,4 Milliarden Euro steigen. Hinzu kommen 25,5 Milliarden Euro aus dem Sonderetat für die Bundeswehr. 2029 soll der Wehretat im Kernhaushalt 152,8 Milliarden Euro erreichen. Die Nato-Quote als Anteil der Verteidigungsausgaben an der Wirtschaftsleistung soll auf rund 2,8 Prozent steigen und 2029 3,5 Prozent erreichen.
Die Investitionen sollen 2026 auf 126,7 Milliarden Euro klettern. Ein Großteil davon kommt aus dem Sonderetat Infrastruktur und Klimaneutralität (SVIK), aus dem 2026 rund 40,5 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Dabei sind Zuschüsse an die Länder und an den Klimafonds nicht berücksichtigt. Wesentlicher Schwerpunkt seien hier mit 21,3 Milliarden Euro die Verkehrsinvestitionen in Straße, Schiene und Wasserwege.
Gleichzeitig will die Regierung bei den Ausgaben für das Bürgergeld rund 1,5 Milliarden Euro einsparen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) benötigt wegen der hohen Arbeitslosigkeit jedoch erneut ein Darlehen vom Bund in Höhe von 3,8 Milliarden Euro.
Aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) sind 2026 den Angaben zufolge Programmausgaben von 35,7 Milliarden Euro vorgesehen. Für die Förderung des Klimaschutzes im Gebäudebereich, etwa durch neue Heizsysteme, werden 12,6 Milliarden Euro bereitgestellt. Das sind knapp vier Milliarden Euro weniger als für 2025 geplant. Zur Entlastung bei den Energiekosten ist unter anderem ein Zuschuss von 6,5 Milliarden Euro zu den Stromnetzentgelten geplant. Eine Senkung der Stromsteuer auch für Privathaushalte ist weiter nicht vorgesehen. Insgesamt sollen Verbraucher und Unternehmen aus dem KTF bei den Energiekosten in den Jahren 2026 bis 2029 um rund 42 Milliarden Euro entlastet werden.
(Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)