Klingbeil: Haushalt 2027 wird große Herausforderung für Regierung

– von Holger Hansen und Christian Krämer

Berlin (Reuters) – Die Haushaltsaufstellung wird laut Finanzminister Lars Klingbeil in den nächsten Jahren immer schwieriger werden.

Der Etat für 2027 werde die Regierung massiv fordern und eine der größten Herausforderungen der kommenden zwölf Monate sein, sagte der SPD-Chef am Mittwoch in Berlin. Es gebe hier noch eine Finanzierungslücke von mehr als 30 Milliarden Euro, die geschlossen werden müsse. Diese habe sich zuletzt durch die Zinsentwicklung, Zahlungen an die Kommunen und die Ausweitung der Mütterrente noch vergrößert.

In der mittelfristigen Finanzplanung bis 2029 summiert sich die vorgesehene Neuverschuldung auf insgesamt 851 Milliarden Euro. In den Jahren 2027 bis 2029 gibt es noch eine Finanzierungslücke von rund 172 Milliarden Euro. Deswegen brauche es einen strikten Sparkurs, so Klingbeil. “Ich bin sicher, dass die Beliebtheit des Finanzministers im Kabinett sich nicht zwingend erhöhen wird.” Alle Ministerien seien hier in der Pflicht. “Jede und jeder in der Regierung wird sparen müssen.” Gleichzeitig würden die Einnahmen gestärkt, indem der Kampf gegen Steuerbetrug und Finanzkriminalität zu einem Schwerpunkt gemacht werde. Hierzu plant Klingbeil zeitnah einen Gesetzentwurf.

Die Bundesregierung hofft zudem, mit Reformen und Investitionen die seit zwei Jahren lahmende Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. “Wir investieren so viel wie noch nie”, sagte Klingbeil vor Journalisten zum Haushalt für 2026. Für Forschung und Entwicklung stünden beispielsweise 17 Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Die Bundeswehr solle 10.000 neue Stellen bekommen. Das Kabinett hatte zuvor den Haushaltsentwurf für 2026 beschlossen, der bei Ausgaben von 520,5 Milliarden Euro im Kernetat neue Kredite von 174,3 Milliarden Euro vorsieht. Das sind rund 31 Milliarden Euro mehr als für 2025 geplant.

“AUF SAND GEBAUT”

In der Opposition stieß der Haushaltsentwurf auf scharfe Kritik. Sebastian Schäfer von den Grünen warf der Regierung vor, der Haushalt sei “konjunkturell auf Sand gebaut” und basiere auf dem Prinzip Hoffnung. Angesichts von Finanzierungslücken in historischer Dimension fehle jegliche Planungssicherheit, zudem sei der Klimaschutz für die Koalition nur eine Fußnote. Schäfer forderte, Vermögende stärker in die Verantwortung zu nehmen und umweltschädliche Subventionen abzubauen. Die AfD sprach angesichts der hohen Schulden von einer “absolut unverantwortlichen Politik”. Die Partei forderte massive Einsparungen, vor allem bei der Entwicklungshilfe und bei den Klimaausgaben.

Trotz des Spardrucks will Klingbeil an zentralen Vorhaben des Koalitionsvertrages von Union und SPD festhalten. Dies gelte für die Einkommensteuerreform für kleine und mittlere Einkommen. “Ich bin mir sicher, dass an der Stelle auch der Koalitionspartner weiß, wie wichtig das für uns ist.” Auch die beschlossenen Einsparungen beim Bürgergeld, die bis 2028 auf drei Milliarden Euro jährlich ansteigen sollen, würden umgesetzt.

Als externen Risikofaktor nannte Klingbeil den jüngsten Handelsdeal der EU mit den USA. “Dass ich nicht zufrieden bin mit diesem Deal, das habe ich ja öffentlich schon gesagt.” Er rechne damit, dass die Vereinbarung “eher wachstumsschwächend” auf Deutschland wirke. Die Konsequenz daraus sei, dass Deutschland und Europa stärker werden müssten, um bei künftigen Verhandlungen eine bessere Position zu haben.

WEHRETAT STEIGT SPRUNGHAFT

Einer der Schwerpunkte im Haushalt ist die Aufrüstung der Bundeswehr. Im Entwurf für 2026, der im November im Bundestag finalisiert und beschlossen werden soll, wächst der Wehretat am stärksten – und zwar um mehr als 20 Milliarden auf rund 82,7 Milliarden Euro. Zusammen mit 25,5 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr und weiteren Posten sollen die Verteidigungsausgaben eine Nato-Quote von rund 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Bis 2029 sollen es 3,5 Prozent sein.

Der Industrieverband BDI sprach angesichts der hohen Investitionen von einem richtigen Signal. Nun brauche es aber auch den Mut für Strukturreformen. Kritiker bemängeln, dass die Regierung Reformen beim größten Haushaltsposten – den Sozialausgaben – scheut. Der Sozialstaat dürfe nicht in den Boden gerammt werden, sagte Klingbeil. Allerdings gebe es Einsparpotenzial beim Bürgergeld, wenn Bezieher durch Schwarzarbeit aufstockten und jede Arbeit verweigerten.

(redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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