Washington/Berlin (Reuters) – Die US-Notenbank hält trotz der ständigen Rufe nach einer Zinssenkung aus dem Weißen Haus weiter die Füße still.
Die unabhängigen Währungshüter um Fed-Chef Jerome Powell beließen den Leitzins am Mittwoch in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent. Allerdings gab es zwei Gegenstimmen. Eine ungewöhnliche Konstellation für die Fed, bei der es zwei Abweichler unter den Gouverneuren zuletzt Ende 1993 gab: Nun votierten die Direktoren Christopher Waller und Michelle Bowman für eine Senkung. Spekulationen auf einen bald bevorstehenden Lockerungsschritt wollte Powell indes nicht befeuern: “Wir haben noch keine Entscheidungen für September getroffen, das tun wir nicht im Voraus”, sagte er vor der Presse.
Das Ausbleiben von klaren Hinweisen auf künftige Zinssenkungen der Fed ließ die US-Börsen nach einem Auf und Ab im Laufe des Tages uneinheitlich aus dem Handel gehen. “Fed-Chef Powell ließ sich nicht weiter in die Karten schauen”, meint Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. Die Botschaft laute: “Eine Zinssenkung im September ist in Abhängigkeit der Datenlage möglich. Zeigt der Arbeitsmarkt Schwäche und geben die Inflationsraten nach, könnte eine geldpolitische Lockerung anstehen.”
Die Fed hat am Leitzins, der zentralen Stellschraube zum Justieren der Kreditkosten, in diesem Jahr noch nicht gedreht – sehr zum Leidwesen von US-Präsident Donald Trump, der massive Senkungen fordert. Nur wenige Minuten vor dem Entscheid meldete er sich wieder zu Wort und erklärte, die Zinsen sollten sinken. Die Notenbank ist jedoch angesichts der Zollpolitik der Regierung im Wartemodus und will zunächst die Auswirkungen auf die Wirtschaft abwarten.
Doch die beiden Abweichler beim Zinsentscheid wollten bereits jetzt eine Senkung. “Die Meinungsunterschiede im Board haben sich schon länger abgezeichnet. Bowman und Waller sehen ein geringeres Risiko, dass die Zollerhöhungen zu einer dauerhaften Erhöhung der Inflationsraten führen, und würden sich lieber stärker auf etwaige Wachstumsrisiken konzentrieren”, erläuterte Commerzbank-Experte Bernd Weidensteiner. Die Inflation hatte zuletzt zugelegt. Die Verbraucherpreise stiegen im Juni um 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, nach einer Teuerungsrate von 2,4 Prozent im Mai. Viele Experten erwarten, dass der von Trump ausgelöste Zollschock womöglich erst später zu spüren sein wird.
NEBEL HAT SICH NOCH NICHT GELICHTET
Auch wenn mittlerweile Handelsdeals mit Großbritannien, Japan und der EU vorliegen, steht eine Übereinkunft mit China noch aus. Somit hat sich der Nebel an der Handelsfront noch nicht gelichtet – zumal auch bei den abgeschlossenen Vereinbarungen viele Details noch unklar sind. Zugleich betreibt Trump mit verbalen Attacken auf Fed-Chef Powell eine Art Zermürbungstaktik gegen den obersten Währungshüter der USA und hat sogar die Möglichkeit genannt, ihn zu entlassen.
Nach US-Recht kann der Präsident den Fed-Chef jedoch nicht wegen eines Streits über die Zinspolitik feuern. Als etwaiger Anlass gilt ein Streit über Kostenüberschreitungen bei der Renovierung der Fed-Zentrale in Washington. Bei einem kurzfristig anberaumten Besuch Trumps am Sitz der US-Notenbank ist es jüngst zum offenen Streit zwischen dem Präsidenten und dem Fed-Chef gekommen, dessen Amtszeit noch bis Mai 2026 läuft.
Powell sprach von einem “guten Besuch”. Auf eine Reporterfrage nach möglichen Risiken für die Fed durch politische Einflussnahme sagte er, die Unabhängigkeit der Notenbank habe sich als ein für die Öffentlichkeit nützliches Prinzip erwiesen. Es sollte daher weiter hochgehalten und respektiert werden. Damit werde sichergestellt, dass die Notenbank Entscheidungen auf Basis von Daten treffen könne und diese nicht von politischen Erwägungen abhängig mache.
Trump mache keinen Hehl daraus, dass er eine personelle Neuaufstellung an der Spitze der Notenbank wünsche, sagt der USA-Experte der Förderbank KfW, Stephan Bales: “Diese politische Einflussnahme wirft Schatten auf die geldpolitische Unabhängigkeit und dürfte die Unsicherheit über den Kurs der Fed in den kommenden Monaten erhöhen.”
(Bericht von Howard Schneider, geschrieben von Reinhard Becker, Mitarbeit Zuzanna Szymanska,; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)