– von Matthias Inverardi
Düsseldorf (Reuters) – Der chinesische Tech-Gigant JD.com greift nach den Elektronikmärkten MediaMarkt und Saturn, um den Markt in Europa aufzurollen.
JD.com will dazu die Muttergesellschaft der beiden Einzelhandelsketten, die Düsseldorfer Holding Ceconomy, übernehmen, wie Ceconomy und der Bieter am Mittwochabend mitteilten. Die im Online-Handel groß gewordene JD.com biete den Ceconomy-Aktionären um die Gründerfamilie Kellerhals und die Duisburger Familienholding Haniel je 4,60 Euro in bar für jede Stammaktie, hieß es weiter. Insgesamt wird Ceconomy damit mit gut 2,2 Milliarden Euro bewertet.
Ceconomy-Aktien lagen am Morgen mit 1,4 Prozent im Plus bei 4,40 Euro. Bei den Arbeitnehmern lösten die Pläne zunächst keine Euphorie aus: Die Gewerkschaft Verdi kündigte an, JD.com auf die Finger schauen zu wollen. Als neuer Eigner müsse JD.com “langfristig soziale Verantwortung für die Beschäftigten und die Sicherung der Arbeitsplätze in Deutschland mit übernehmen”, betonte Verdi-Vertreterin Corinna Groß.
“Es ist genau der richtige Partner zur richtigen Zeit”, warb Ceconomy-Chef Kai-Ulrich Deissner dagegen für die Pläne. “Über die Partnerschaft haben wir Zugriff auf Technologien, auf weltweit führendes Einzelhandelswissen und auf Lieferketten, die weltweit ihresgleichen suchen”, sagte er zu Reuters. JD.com hat sich rechnerisch bereits eine Mehrheit an Ceconomy gesichert. Die Familie Kellerhals, die mit knapp 30 Prozent der Anteile größter Einzelaktionär ist, habe die Offerte für 3,81 Prozent ihrer Aktien akzeptiert, hieß es. Sie will also mit einem Anteil von rund 25,35 Prozent an Bord bleiben. Die Aktionäre Haniel, Beisheim, BC Equities und Freenet, die gemeinsam rund 27,9 Prozent der Anteile kontrollieren, wollen ihre Aktien an JD.com verkaufen – dies haben sie bereits zugesagt. Zusammen mit Kellerhals haben sich die Chinesen nach eigenen Angaben damit eine Gesamtbeteiligung von 57,1 Prozent gesichert.
NETZ VON 1000 MÄRKTEN
Mit der Übernahme von MediaMarkt und Saturn sichert sich JD.com Zugriff auf einen der größten Online-Shops für Elektronikartikel in Europa und ein Netz von etwa 1000 Märkten in mehreren europäischen Ländern. JD.com konkurriert mit Online-Riesen wie Amazon und Alibaba und verfügt bei einer Übernahme nun auch über Filialen und ein breites Logistik-Netzwerk in Europa. Der Konzern wird damit auch unabhängiger vom zuletzt immer wieder kriselnden chinesischen Markt. Im Handelsstreit mit den USA ist Europa noch interessanter für die Volksrepublik geworden. JD.com war zuletzt auch in anderen europäischen Ländern aktiv geworden. 2022 hatte der Konzern die Omnichannel-Plattform Ochama in den Niederlanden ins Leben gerufen, in Großbritannien läuft ein Pilotversuch für den Online-Marktplatz Joybuy.
JD.com wolle dabei helfen, den erfolgreichen Umbau Ceconomy voranzutreiben, sagte JD.com-Chefin Sandy Xu. Aktionärsschützer hatten bereits signalisiert, dass sie die Offerte auf den ersten Blick positiv sehen. “Mit Blick auf den Kursverlauf seit Beginn des Jahres ist das Angebot nicht so schlecht”, hatte DSW-Geschäftsführerin Christiane Hölz Reuters gesagt. Ceconomy erzielte mit rund 50.000 Beschäftigten zuletzt einen Jahresumsatz von 22,4 Milliarden Euro – 5,1 Milliarden Euro davon fuhren die Online-Shops ein.
FILIALEN UND MARKEN SOLLEN AUCH UNTER NEUEM EIGNER BLEIBEN
Die Marken MediaMarkt und Saturn blieben bei einer Übernahme ebenso erhalten wie die Ceconomy-Zentrale in Düsseldorf, sagte Deissner Reuters weiter. “Es gibt für drei Jahre den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen ab Closing der Transaktion”, sagte er mit Blick auf die Beschäftigten. “Tarifverträge und Mitbestimmung bleiben erhalten.” Er betonte: “Wir haben den Anspruch, den Markt zu führen. Dafür sorgt diese Partnerschaft.”
Die Transaktion könnte nach Deissners Worten bald über die Bühne gehen: “Das Closing wird voraussichtlich im ersten Halbjahr 2026 erfolgen.” Mit großen Problemen durch die Kartellämter rechnet er nicht: “Wir sind überzeugt, dass es keine unüberwindbaren kartellrechtlichen Hürden geben wird.”
Ceconomy blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Die Holding war 2017 unabhängig geworden, der damalige Metro-Konzern wurde aufgespalten. Damals startete die Firma mit einem Kurs von 9,32 Euro je Aktie an die Börse – deutlich über dem aktuellen Wert. Doch dem Börsengang folgten zunächst Pleiten, Pech und Pannen sowie zahlreiche Management- und Strategiewechsel. Unter seinem 2021 angetretenen Chef Karsten Wildberger war das Unternehmen wieder auf Kurs gekommen. Er setzte auf eine stärkere Verschränkung von Online- und Filialgeschäft sowie einen Ausbau von Service-Angeboten. Zudem hatte er die komplexen Logistikketten der Elektronikhändler gestrafft. Im April wechselte Wildberger ins Kabinett von Bundeskanzler Friedrich Merz. Sein Nachfolger Deissner kann sich nun Hoffnungen machen, auch unter JD.com an der Spitze der Holding zu bleiben. “Das Unternehmen bleibt unabhängig und es gibt sehr explizite Unterstützung für den Vorstand”, betonte er.
(Redigiert von Scot W. Stevenson und Alexander Hübner, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bittean unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)