Brüssel/Rom (Reuters) – In Europa wird es künftig schwieriger, Asylsuchende schon an der Grenze abzuweisen.
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) verschärfte am Freitag die Regeln, nach denen sogenannte sichere Herkunftsstaaten bestimmt werden. Flüchtlingen aus derart klassifizierten Ländern kann im Rahmen eines beschleunigten Asylverfahrens die Einreise verwehrt werden. Sie müssen dann die Bearbeitung ihres Asylantrages im Ausland abwarten. Bislang bestimmten die jeweiligen EU-Staaten, welches Land als sicheres Herkunftsland gilt, ohne dafür Nachweise offenlegen zu müssen. Der EuGH fordert nun, dass die Grundlagen für eine Einordnung als sicherer Herkunftsstaat einsehbar sein müssen und dass dies gerichtlich angefochten werden kann. Neu ist auch, dass ein sicherer Herkunftsstaat als Ganzes als solcher erklärt werden muss. Deswegen reicht es nicht aus, wenn einzelne Regionen als sicher eingestuft werden, um einen Asylbewerber abzuweisen.
Ausgangspunkt des Verfahrens vor dem EuGH ist ein italienischer Fall. Die Regierung der rechtskonservativen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte versprochen, die unerwünschte Einwanderung einzudämmen und zu diesem Zweck in Albanien ein Internierungslager errichten lassen, das inzwischen fertiggestellt ist. Dort sollen Angehörige sicherer Herkunftsstaaten die Bearbeitung ihres Asylantrages abwarten. Konkret ging es um zwei aus dem Mittelmeer gerettete Migranten aus Bangladesch, die zunächst nach Albanien gebracht wurden, da die italienischen Behörden Bangladesch als sicheren Staat einstufen. Dagegen klagten die beiden Betroffenen vor einem römischen Gericht, das den Fall dem EuGH übergab.
Melonis Büro bezeichnete das EuGH-Urteil als überraschend. Dadurch werde die Bekämpfung der illegalen Masseneinwanderung und der Schutz der Landesgrenzen geschwächt. Meloni hatte das Internierungslager in Albanien als Eckpfeiler ihrer Migrationspolitik dargestellt. Auch in anderen europäischen Staaten galt das italienische Vorgehen als Vorbild.
In dem mit Spannung erwarteten Urteil billigte der EuGH, dass Italien befugt sei, Asylanträge von Staatsangehörigen aus sicheren Herkunftsländern schneller abzulehnen, als solche von Menschen aus unsicheren Ländern. Künftig müssten aber die Informationsquellen für die Einstufung den Asylbewerbern und den nationalen Gerichten zugänglich gemacht werden. “Diese Anforderung soll einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gewährleisten”, heißt es in der Mitteilung des EuGH zum Urteil. (Az: C-758/24 und C-759/24)
(Bericht von Charlotte Van Campenhout und Alvise Armellini, geschrieben von Hans Busemann, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)