Schweizer Bundespräsidentin soll Trump in Zollfrage umstimmen

Zürich (Reuters) – Die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin wollen mit einer kurzfristig angesetzten Reise nach Washington versuchen, die USA in der Zollfrage noch umzustimmen und drohende Abgaben von 39 Prozent auf Warenexporte in die Vereinigten Staaten abzuwenden.

“Ziel ist es, den USA ein attraktiveres Angebot zu unterbreiten, um die Höhe der Zusatzzölle für die Schweizer Exporte zu verringern und dabei die Anliegen der USA zu berücksichtigen”, teilte das Finanzministerium am Dienstag mit. Keller-Sutter, die auch Finanzministerin ist, und Parmelin brachen den Angaben zufolge am Dienstagmittag auf und werden von einer kleinen Delegation begleitet. Einzelheiten zu den geplanten Vorschlägen und Gesprächen wurden nicht genannt.

US-Präsident Donald Trump hat am vergangenen Freitag unerwartet einen Zollsatz von 39 Prozent auf Schweizer Waren angekündigt und damit in der exportorientierten Wirtschaft des Landes Alarmstimmung ausgelöst. Die Regierung wurde auf dem falschen Fuß erwischt: Sie hatte nach den im April zunächst in Aussicht gestellten 31 Prozent rasch ein Handelsabkommen mit einem niedrigeren Zollsatz ausgehandelt und darauf gesetzt, dass Trump dieses gutheißen wird. Am Montag hatte das Kabinett in einer Sondersitzung beschlossen, den USA neue Vorschläge zu unterbreiten. Der neue Zollsatz soll am Donnerstag in Kraft treten.

Eine mit den Überlegungen der Trump-Regierung vertraute Person zeigte sich zuversichtlich, dass eine Einigung mit der Schweiz erzielt werden könne, wenn das Land schnell mit einem besseren Angebot reagiere. “Es gab eine Art Missverständnis, aber das kann sich klären, wenn die Schweizer mit einem sinnvollen Angebot kommen”, sagte der Insider Bezug nehmend auf ein Telefonat zwischen Trump und Keller-Sutter am Donnerstagabend. “Es handelt sich um ein großes Handelsdefizit, insbesondere pro Kopf.”

Trump erwähnte das Gespräch mit Keller-Sutter in einem Interview mit CNBC am Dienstag und fügte hinzu, dass er über das Handelsdefizit der USA gegenüber der Schweiz besorgt sei. “Sehen Sie, ich habe neulich etwas mit der Schweiz gemacht”, sagte er und bezog sich dabei auf sein Telefonat mit Keller-Sutter. “Die Frau war nett, aber sie wollte nicht zuhören, und sie haben im Grunde genommen keine Zölle gezahlt”, sagte er dem Sender. “Und ich sagte: Wir haben ein Defizit von 41 Milliarden Dollar mit Ihnen, Madam … und Sie wollen ein Prozent Zölle zahlen. Ich sagte: Sie werden nicht ein Prozent zahlen, wir verlieren, denn ich betrachte das Defizit als Verlust.”

SUBSTANZIELLES ANGEBOT NÖTIG

Hans Gersbach, Ökonom des ETH-Wirtschaftsinstituts KOF, sieht in der Visite einen allerletzten Versuch, Trump noch umzustimmen. Von der Schweizer Delegation sei dabei ein “substanzielles” Angebot gefordert. “Etwas Marginales wird nicht ausreichen – es muss eine bedeutende Zahl sein, die Trump seinen Anhängern als Verhandlungserfolg präsentieren kann”, sagte Gersbach. “Es ist entscheidend, dass Keller-Sutter und Parmelin Trump treffen und direkt mit ihm sprechen. Er ist der Entscheidungsträger.”

Der Volkswirt sieht gute Erfolgschancen für eine Einigung, eine Garantie gebe es aber nicht. Der Regierung sei der Ernst der Lage bewusst und sie dürfte alles daransetzen, eine Vereinbarung zu erzielen, sagte Gersbach. “Ein Zollsatz von 39 Prozent für die Schweiz, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die EU einen Satz von 15 Prozent vereinbart hat, wäre ein unmittelbarer Schock für die Wirtschaft.”

Einige Schweizer Wirtschaftsführer wie etwa Nick Hayek, Chef des Uhrenherstellers Swatch, hatten Keller-Sutter aufgefordert, in die USA zu reisen und direkt mit Trump zu verhandeln.

(Bericht von Paul Arnold und John Revill, Mitarbeit von Madeline Chambers, Andrea Shalal und Bhargav Acharya, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

tagreuters.com2025binary_LYNXMPEL740NN-VIEWIMAGE