Bundesregierung ebnet Weg für umstrittene CO2-Endlager

– von Holger Hansen

Berlin (Reuters) – Die Bundesregierung will den Aufbau einer Infrastruktur zur unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid (CO2) massiv beschleunigen.

Das Kabinett brachte am Mittwoch den Entwurf von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) für ein Kohlendioxid-Speicherungsgesetz auf den Weg. Damit wird erstmals auch die Nutzung von CO2-Endlagern zu industriellen Zwecken erlaubt. Auch für Gaskraftwerke soll die Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) erlaubt sein. CCS soll helfen, die Klimaziele zu erreichen. Klimaschützer befürchten aber, dass dadurch die Anstrengungen sinken, das klimaschädliche Treibhausgas zu vermeiden. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) begrüßte den Vorstoß, forderte aber eine staatliche Finanzierung für CO2-Transportwege.

Dem Entwurf zufolge sollen Errichtung und Betrieb von CO2-Speichern und Pipelines “überragendes öffentliches Interesse” erhalten. Das soll Planungs- und Genehmigungsverfahren erheblich erleichtern, ähnlich wie bei erneuerbaren Energien.

Das Vorhaben ist umstritten. Industrie und Teile der Gewerkschaften dringen auf verlässliche Rahmenbedingungen. Union und SPD greifen einen Gesetzentwurf auf, den die frühere Ampel-Koalition nach ihrem Auseinanderbrechen nicht mehr verabschiedet hatte. Der neue Entwurf ist aber weitgehender.

ENTWURF: CCS ZUM ERREICHEN DES KLIMAZIELS UNVERZICHTBAR

Im Gesetzentwurf heißt es, zum Erreichen der Klimaneutralität seien “Technologien zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid in tiefen geologischen Gesteinsschichten (…) unverzichtbar”. CCS steht für “Carbon Dioxide Capture and Storage”. Dabei wird CO2 direkt an Industrieanlagen abgeschieden, bevor es in die Atmosphäre gelangt. Anschließend wird es per Pipeline oder Schiff zu einer geeigneten geologischen Formation transportiert und dort dauerhaft unterirdisch gespeichert.

Das bisherige Gesetz erlaubt die Speicherung nur zu Forschungs- und Demonstrationszwecken, nicht aber im kommerziellen Maßstab. Diese Beschränkung soll nun aufgehoben werden, um die Dekarbonisierung der Industrie zu ermöglichen.

Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu werden. Bestimmte industrielle Prozesse, etwa bei der Herstellung von Zement, Kalk oder in der Müllverbrennung, lassen sich nach heutigem Stand jedoch kaum ohne CO2-Emissionen betreiben. Diese schwer vermeidbaren Emissionen sollen künftig abgeschieden und dauerhaft unterirdisch gespeichert werden. Ausdrücklich ausgeschlossen bleibt die Nutzung von CCS für Kohlekraftwerke. Für Gaskraftwerke wäre der Einsatz möglich.

Geeignete CO2-Endlager müssen aber erst noch gefunden werden. Die Speicherung ist primär im Offshore-Bereich vorgesehen, also in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone und auf dem Festlandsockel. Der Entwurf stellt klar, dass dies den Bereich des Küstenmeeres nicht umfasst. Eine Speicherung an Land bleibt auf Bundesebene grundsätzlich verboten. Die Bundesländer können per Landesgesetz die CO2-Speicherung auf ihrem Gebiet aber erlauben.

Die DIHK kritisierte vor allem die fehlende staatliche Absicherung bei der Finanzierung der CO2-Transportinfrastruktur. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, warum der Einsatz der Technologie auf Gas- und Biomassekraftwerke beschränkt und Kohlekraftwerke ausgenommen würden. Die geplante Länderregelung behindere den Aufbau, da sie die günstigere Speicherung an Land erschwere und eine bundesweite Planung einschränke.

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) forderte eine strikte Begrenzung auf unvermeidbare Industrie-Emissionen und die Bioenergie. Die Technologie dürfe keinesfalls zu neuen fossilen Abhängigkeiten führen, warnte der Verband. Insbesondere der Einsatz an Gaskraftwerken sei aufgrund hoher Kosten und technischer Schwierigkeiten keine sinnvolle Option für ein modernes Stromsystem. Stattdessen müssten die Investitionen in den Ausbau der Erneuerbaren Energien, Speicher und eine intelligente Infrastruktur gelenkt werden.

(Bericht von Holger Hansen, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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