Frankfurt (Reuters) – Angesichts des zunehmenden politischen Drucks in den USA ergreift der Pharma- und Technologiekonzern Merck Gegenmaßnahmen.
Als Reaktion auf die Forderung von Präsident Donald Trump nach günstigeren Medikamenten prüft der Konzern einen Direktvertrieb an Patienten in den USA. “Alles, was wir tun können, um die Belastung für die Patienten zu verringern, ist etwas, das wir in Betracht ziehen werden”, sagte Konzernchefin Belen Garijo am Donnerstag. Um die Auswirkungen von Zöllen abzufedern, seien zudem in der Laborsparte Life Science bereits Preisaufschläge Teil der Strategie. Die politische Lage werde volatil bleiben. “Wir reagieren nicht impulsiv.”
Hintergrund ist der massive Druck von Präsident Trump. Seine “Most-Favored-Nation”-Politik (MFN) zielt darauf ab, die Medikamentenpreise in den USA an das niedrigste Niveau in vergleichbaren Industriestaaten anzugleichen. In Briefen an zahlreiche Pharmakonzerne, darunter aus Deutschland auch Merck und Boehringer Ingelheim, setzte er kürzlich eine Frist bis Ende September und drohte andernfalls mit nicht näher genannten Maßnahmen. “Die Forderung, Medikamente erschwinglicher zu machen, ist in jedem Land der Welt sehr legitim”, sagte Garijo dazu. Merck sei offen für eine Zusammenarbeit mit der US-Regierung.
Mit der Prüfung eines Direktvertriebs folgt Merck dem Beispiel anderer Konzerne wie Roche, Pfizer und Bristol Myers Squibb. Diese wollen die Kosten für Patienten senken, indem sie die in den USA mächtigen Arznei-Einkaufsgemeinschaften (Pharmacy Benefit Managers) umgehen. Diese fungieren als Zwischenhändler zwischen Herstellern und Verbrauchern und stehen wegen ihrer Rolle bei der Preisgestaltung in der Kritik. “Es gibt eine erhebliche Kostenbelastung, die mit dem Vertrieb von Medikamenten in den USA verbunden ist”, erklärte Garijo.
NEGATIVE WÄHRUNGSEFFEKTE BREMSEN
Im Tagesgeschäft bekommt Merck zusätzlichen Gegenwind von negativen Währungseffekten durch die Abschwächung des Dollar. Der Darmstädter Dax-Konzern kappte deshalb erneut seine Jahresziele. Die aktuellen Zoll-Risiken seien in der Prognose bereits berücksichtigt, erklärte Garijo. Für 2025 rechnet Merck nun mit einem Umsatz von 20,5 bis 21,7 (Vorjahr: 21,2) Milliarden Euro und einem bereinigten operativen Ergebnis (Ebitda) von 5,9 bis 6,3 (6,1) Milliarden Euro. Im Mai hatte das Unternehmen die Ziele bereits gesenkt und einen Umsatz von 20,9 bis 22,4 Milliarden Euro sowie ein Ergebnis von 5,8 bis 6,4 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.
Die Prognose für das organische Ergebniswachstum hob der Konzern jedoch auf vier bis acht Prozent an, nach zuvor zwei bis sieben Prozent. Ausschlaggebend seien bessere Aussichten für die Sparten Life Science und Healthcare sowie eine hohe Kostendisziplin. Im zweiten Quartal wurde das organische Wachstum vor allem von diesen beiden größten Sparten getragen.
Im kleinsten Konzernbereich Electronics brach das operative Ergebnis jedoch um fast die Hälfte ein. Als Grund nannte Merck unter anderem eine Rückstellung für mögliche Kundenansprüche wegen eines Lieferantenproblems. Das Geschäft mit Halbleitermaterialien, das vom KI-Boom profitiert, wachse jedoch weiter. Insgesamt sank das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) im zweiten Quartal um drei Prozent auf 1,46 Milliarden Euro. Analysten hatten im Schnitt mit 1,52 Milliarden Euro mehr erwartet. Der Konzernumsatz fiel um knapp zwei Prozent auf 5,25 Milliarden Euro. Organisch wuchs der Umsatz dagegen um zwei Prozent und das Ergebnis um 4,6 Prozent. Die Merck-Aktien lagen am Vormittag im Dax 1,4 Prozent im Minus.
(Bericht von Patricia Weiss, redigiert von Myria Mildenberger; Bei Rückfragen wenden Sie sich sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)