Hisbollah droht libanesischer Regierung mit Konfrontation

Beirut (Reuters) – Hisbollah-Chef Scheich Naim Kassem hat der libanesischen Regierung mit Konfrontation gedroht, sollte sie gegen die schiitische Miliz vorgehen und sie eliminieren wollen.

Dann gäbe es “kein Leben” im Libanon, sagte Kassem am Freitag und warnte vor einem Bürgerkrieg. Die Hisbollah, die vom Iran unterstützt wird, und die mit ihr verbündete schiitische Amal-Bewegung hätten beschlossen, ihre Straßenproteste gegen einen Plan zu ihrer Entwaffnung zu verschieben. Sie sähen noch Raum für einen Dialog mit der Regierung, sagte Kassem in einer Fernsehansprache. Künftige Proteste könnten aber auch die US-Botschaft im Libanon erreichen. Der Plan der Regierung zu Entwaffnung der Organisationen war auf Druck der USA zustande gekommen.

“Dies ist unsere gemeinsame Nation”, sagte Kassem. “Wir leben gemeinsam in Würde und bauen gemeinsam ihre Souveränität auf – oder der Libanon wird kein Überleben haben, wenn Sie auf der anderen Seite stehen und versuchen, uns zu konfrontieren und zu vernichten.” Ende Juli hatte Präsident Joseph Aoun die radikale und trotz der israelischen Angriffe noch immer einflussreiche Hisbollah und andere Gruppierungen aufgerufen, ihre Waffen an die Armee abzugeben. Vergangene Woche beauftragte das Kabinett das Militär, Waffen nur den staatlichen Sicherheitskräften zur Verfügung zu stellen. Die USA haben Insidern zufolge die Regierung gedrängt, die Entwaffnung der Hisbollah zu beschließen. Dies sei Voraussetzung dafür, dass Gespräche über ein Ende des israelischen Militäreinsatzes im Süd-Libanon wieder aufgenommen werden können.

KASSEM: DIALOG IST NOCH IMMER MÖGLICH

Die mit der Hamas im Gazastreifen verbündete Hisbollah lehnt eine Entwaffnung ab. Sie argumentiert, die Forderung nach einer Entwaffnung würde nur Israel dienen. “Diejenigen, die zur Abgabe von Waffen aufrufen, verlangen praktisch, dass diese an Israel abgegeben werden”, sagte Kassem unlängst. “Wir werden uns Israel nicht unterwerfen.” Nun warf er der Regierung vor, sie führe einen “amerikanisch-israelischen Befehl zur Ausschaltung des Widerstands aus, selbst wenn dies zu Bürgerkrieg und inneren Unruhen führen sollte”. Zugleich erklärte er, eine politische Lösung sei möglich. “Es gibt noch Raum für Diskussionen, für Anpassungen und für eine politische Lösung, bevor die Situation zu einer Konfrontation eskaliert, die niemand will”, sagte er. “Aber wenn es uns aufgezwungen wird, sind wir bereit und haben keine andere Wahl … Dann wird es im ganzen Libanon zu Straßenprotesten kommen, die bis zur amerikanischen Botschaft reichen werden.”

HISBOLLAH TROTZ SCHWÄCHUNG NOCH IMMER MIT EINFLUSS

Das israelische Militär hat gezielt eine ganze Reihe von Kommandeuren und Führungspersönlichkeiten der Hisbollah getötet, darunter im September 2024 den jahrzehntelang amtierenden Chef Hassan Nasrallah. Etwa 5000 Hisbollah-Kämpfer wurden getötet, ihr Arsenal zu einem großen Teil zerstört. Die Hisbollah ist sowohl Miliz als auch politische Partei. Trotz ihrer Schwächung hat sie noch immer erheblichen Einfluss und genießt unter den Schiiten großen Rückhalt. Hisbollah und Amal stellen Minister und haben Sitze im Parlament. Allerdings haben sie erstmals seit Jahren kein Sperrdrittel mehr im Kabinett, mit dem sie Regierungsentscheidungen stoppen könnten.

Die Hisbollah hat im Zuge des Krieges im Gazastreifen den Norden Israels beschossen, Zehntausende Israelis mussten ihre Häuser verlassen. Bei israelischen Angriffen auf den Libanon wurden mehr als 1,2 Millionen Menschen vertrieben. Nicht nur der Südlibanon, wo die Hisbollah ihre Hochburgen hat, auch die Hauptstadt Beirut wurde von Israel angegriffen. Israelische Bodentruppen rückten im September 2024 in den Südlibanon ein.

Ein von den USA vermitteltes und am 27. November 2024 in Kraft getretenes Abkommen beendete die Kämpfe zwischen Israel und der Hisbollah. Im Rahmen des Abkommens sollten die israelischen Truppen binnen 60 Tagen aus dem Libanon abziehen. Die Hisbollah-Kämpfer sollten sich bis hinter den Fluss Litani zurückziehen. Für Sicherheit in dem so entstehenden Korridor sollten das libanesische Militär und die UN-Friedenstruppe Unifil sorgen. Allerdings hat Israel nicht wie vereinbart seine Truppen abgezogen.

(Bericht von: Maya Gebeily, Jana Choukeir, Sabine Ehrhardt.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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