La Paz (Reuters) – Nach ersten offiziellen Ergebnissen liegt der zentristische Senator Rodrigo Paz bei der Präsidentschaftswahl in Bolivien vorn.
Dem Wahlgericht des Landes zufolge kam Paz von der Christdemokratischen Partei (PDC) am Sonntag überraschend auf 32,04 Prozent der Stimmen. Auf dem zweiten Platz folgt der konservative Ex-Präsident Jorge “Tuto” Quiroga. Damit steuert das Land auf eine Stichwahl zu. Der Regierungspartei “Bewegung zum Sozialismus” (MAS) droht die schwerste Wahlniederlage seit einer Generation. Ihr Kandidat landete weit abgeschlagen. Erhält kein Kandidat mehr als 40 Prozent der Stimmen mit einem Vorsprung von zehn Prozentpunkten, findet am 19. Oktober eine Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten statt.
Paz kann für die Stichwahl bereits auf wichtige Unterstützung zählen. Der drittplatzierte Geschäftsmann Samuel Doria Medina von der Mitte-Rechts-Koalition Alianza Unidad kündigte an, er werde Paz unterstützen.
Überschattet wurde die Wahl von der höchsten Inflation seit vier Jahrzehnten, die für die Wähler das bestimmende Thema war. Die Teuerung hat sich seit Jahresbeginn auf 23 Prozent verdoppelt, zudem sind Treibstoff und Dollar knapp geworden. “Die Preise für den grundlegenden Lebensmittelkorb steigen schnell”, sagte der Ökonom Roger Lopez. “Plötzlich geht die Rechnung nicht mehr auf.” Viele Bolivianer bestraften die Regierungspartei MAS an der Wahlurne. “Jedes Jahr ist die Lage unter dieser Regierung schlimmer geworden”, sagte die 30-jährige Silvia Morales aus La Paz, eine ehemalige MAS-Wählerin.
Die beiden führenden Kandidaten versprechen einen deutlichen Kurswechsel. Quiroga, der 2001 bis 2002 bereits für ein Jahr Präsident war, hat einen “radikalen Wandel” angekündigt, um “20 verlorene Jahre” unter der MAS-Herrschaft umzukehren. Er befürwortet tiefe Einschnitte bei den öffentlichen Ausgaben und eine Abkehr von den Bündnissen mit Venezuela, Kuba und Nicaragua. Paz plant unterdessen eine Dezentralisierung der Regierung durch ein “50-50-Wirtschaftsmodell”, bei dem die Zentralregierung nur noch die Hälfte der öffentlichen Mittel verwalten würde.
Die Abstimmung am Sonntag verlief nach Angaben internationaler Beobachter und der Behörden weitgehend störungsfrei, die Wahlbeteiligung sei stabil gewesen. Zuvor hatte es lediglich kleinere Zwischenfälle in Wahllokalen in der zentralen Region Cochabamba gegeben, der politischen Hochburg des einflussreichen Ex-Präsidenten Evo Morales. Dieser durfte nicht zur Wahl antreten und hatte zum Boykott aufgerufen. Die Wahl markiere einen “Scheideweg” für Bolivien, sagte die Analystin Glaeldys Gonzalez Calanche von der International Crisis Group.
(Bericht von Lucinda Elliott, Monica Machicao und Daniel Ramos, geschrieben von Sabrina Frangos. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)