Deutsche Wirtschaft in der Krise – “Schnell Reformen umsetzen”

– von Rene Wagner und Christian Krämer

Berlin (Reuters) – Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal tiefer in der Krise gerutscht als gedacht: Sinkende Investitionen, schrumpfende Exporte und anhaltende Bauflaute ließen das Bruttoinlandsprodukt von April bis Juni um 0,3 Prozent zum Vorquartal sinken.

Das Statistische Bundesamt korrigierte damit am Freitag seine erste Schätzung von Ende Juli nach unten, als von einem Mini-Minus von 0,1 Prozent die Rede war. “Vor allem die Industrieproduktion entwickelte sich schlechter als zunächst angenommen”, wurde die Korrektur begründet. In den ersten drei Monaten des Jahres hatte es noch zu einem Wachstum von 0,3 Prozent gereicht.

Das CDU-geführte Bundeswirtschaftsministerium sieht angesichts der schlechten Konjunkturdaten weiteren Reformbedarf. “Das bisher beschlossene reicht nicht – es braucht mehr, damit der Standort Deutschland wieder wettbewerbsfähig wird und wieder auf Wachstumskurs kommt”, teilte das Ministerium auf Reuters-Anfrage mit. “Wichtig ist es deshalb, schnell weitere Strukturreformen umzusetzen.” Die Bundesregierung will Hunderte Milliarden Euro in Infrastruktur und Ausrüstung stecken. Sie hat zudem steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen verbessert und eine Absenkung der Energiekosten eingeleitet.

Die privaten Konsumausgaben legten im Frühjahr mit 0,1 Prozent minimal zu, während die des Staates um 0,8 Prozent wuchsen. Das reichte aber nicht aus, um die Schwäche in anderen Bereichen auszugleichen. Die Investitionen in Ausrüstungen – also vor allem in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge – sanken um 1,9 Prozent. Die Investitionen in Bauten nahmen sogar um 2,1 Prozent ab. “Auch vom Außenhandel blieben positive Impulse aus”, fanden die Statistiker heraus. So sanken die Warenexporte um 0,6 Prozent, was Experten auch mit den hohen US-Zöllen erklärten. Sie verteuern Waren “Made in Germany” beim wichtigsten Auslandskunden der deutschen Industrie.

“FETTES MINUS BEI DEN EXPORTEN”

“Die Wachstumsbelebung zu Jahresbeginn war nur ein Strohfeuer, mehr nicht”, kommentierte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger, die Entwicklung. “Das fette Minus bei den Exporten ist das Ergebnis des zollgehemmten Handels.” Der nun vereinbarte Zoll-Deal mit den USA werde erst einmal Wachstum kosten. Er sieht Zölle von 15 Prozent auf Importe aus der Europäischen Union vor. “Der deutsche Mittelstand könnte zu einem Opfer der US-Zölle werden”, warnte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Er werde es schwerer haben als große Konzerne, die Produktion zu verlagern. Hinzu komme der stärkere Euro, der deutsche Waren in anderen Währungsräumen zusätzlich verteuere. “Es ist schwer vorstellbar, wie die exportabhängige deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte aus der scheinbar endlosen Stagnation herauskommen soll”, sagte Brzeski.

Die Bundesbank rechnet auch für das laufende Sommerquartal nicht mit einem Wachstum. Europas größte Volkswirtschaft werde voraussichtlich stagnieren, heißt es im aktuellen Monatsbericht. “Die trüben Aussichten für den Welthandel, die noch schwache Auftragslage und die niedrige Auslastung vorhandener Kapazitäten dürften die Investitionstätigkeit der Unternehmen weiter beeinträchtigen”, heißt es darin. Vom Bau kämen voraussichtlich noch keine starken Impulse für die Konjunktur. Zudem bremsten gedämpfte Aussichten am Arbeitsmarkt und eine nachlassende Lohndynamik den privaten Konsum. Auch die Dienstleister blieben insgesamt ohne Schwung.

ZWEI REZESSIONSJAHRE IN FOLGE

Es gibt aber auch einen Hoffnungsschimmer: Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft mit Industrie und Dienstleistern stieg im August überraschend um 0,3 auf 50,9 Punkte, wie der Finanzdienstleister S&P Global bei seiner Unternehmensumfrage herausfand. Das ist der beste Wert seit März. Das Barometer hielt sich damit den dritten Monat in Folge über der Marke von 50, ab der es Wachstum signalisiert.

Europas größte Volkswirtschaft hat zwei Rezessionsjahre in Folge hinter sich. Für 2025 rechnet das Ifo-Institut bislang nur mit einem Wachstum von 0,3 Prozent. Erst im kommenden Jahr soll es dann durch die milliardenschweren Investitionen in Infrastruktur und Aufrüstung wieder zu einem deutlichen Plus von 1,5 Prozent reichen.

(Bericht von Rene Wagner und Christian Krämer, redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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