Berlin (Reuters) – Die Neuverschuldung des deutschen Staates ist im ersten Halbjahr trotz der Konjunkturflaute deutlich zurückgegangen.
Die Ausgaben von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherung überstiegen die Einnahmen um rund 28,9 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt am Freitag bekanntgab. Damit fiel das staatliche Defizit um 19,4 Milliarden Euro niedriger aus als ein Jahr zuvor. Die Summe entspricht einem Defizit von 1,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Der EU-Wachstums- und Stabilitätspakt sieht eine Obergrenze von drei Prozent vor.
“Aus den Ergebnissen für das erste Halbjahr lassen sich nur begrenzt Rückschlüsse auf das Jahresergebnis ziehen”, betonte das Statistikamt. Ökonomen zufolge dürfte der Staatshaushalt künftig unter größeren Druck geraten. So sei das Ergebnis in den ersten sechs Monaten dadurch begünstigt worden, dass der Bund noch unter der vorläufigen Haushaltsführung agierte. Das beschränkte zusätzliche Ausgaben. “Zudem profitierten Kranken- und Pflegeversicherungen von einem deutlichen Anstieg der Beitragssätze zu Jahresbeginn”, sagte Steuerexperte Jens Boysen-Hogrefe vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) der Nachrichtenagentur Reuters.
“Die Defizite der öffentlichen Haushalte werden in den kommenden Jahren weiter zulegen”, erklärte er. Die geplanten milliardenschweren Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur dürften in der aktuellen Lage zwar geboten sein. “Gelingt es aber nicht, an anderer Stelle zu konsolidieren, droht spätestens nach Ende des Sondervermögens Infrastruktur eine prekäre Haushaltslage bei zugleich deutlich höherem Schuldenstand.”
Die Politik sollte daher ein umfassendes Programm zur Ausgabenreduktion auflegen. Dieses sollte insbesondere bei den Subventionen ansetzen, aber auch Sozialleistungen nicht aussparen. “Wer in dieser Situation alle Arten von Ausgaben für sakrosankt erklärt, steuert auf eine Krise zu”, sagte Boysen-Hogrefe. Bei der Haushaltskonsolidierung alleine auf die Einnahmeseite zu setzen, könne Arbeits- und Investitionsanreize empfindlich schwächen.
EINNAHMEN WACHSEN SCHNELLER
Die Einnahmen des Staates summierten sich bis Ende Juni auf rund 1042 Milliarden Euro, ein Plus von 6,5 Prozent. Die Ausgaben legten um 4,3 Prozent auf knapp 1071 Milliarden Euro zu. Die Steuereinnahmen des Staates erhöhten sich um 5,1 Prozent, obwohl die Wirtschaft im zweiten Quartal um 0,3 Prozent schrumpfte, nach einem Plus von 0,3 Prozent zu Jahresbeginn. Bei der Mehrwertsteuer gab es einen deutlichen Zuwachs von 6,9 Prozent, die Einnahmen aus den Einkommensteuern stiegen um 4,6 Prozent. Unter anderem durch gestiegene Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sowie die Anhebung der Beitragssätze der Pflegeversicherung und der Beitragsbemessungsgrenzen im Januar legten die Sozialbeiträge um 8,9 Prozent zu. Die Zinseinnahmen des Staates fielen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 18,9 Prozent.
“Einen starken Zuwachs verzeichneten die monetären Sozialleistungen”, erklärten die Statistiker. Dazu zählen Renten und Arbeitslosengeld. Hier gab es einen Anstieg um 20,3 Milliarden Euro oder 5,8 Prozent. Die sozialen Sachleistungen, zu denen unter anderem Arzt- und Krankenhausleistungen, Medikamente sowie Leistungen der Sozialhilfe zählen, erhöhten sich um 13,5 Milliarden Euro (+7,1 Prozent).
Mit 16,7 Milliarden Euro wies der Bund erneut das größte Defizit aus. Es fiel allerdings um 10,5 Milliarden Euro niedriger aus als ein Jahr zuvor. Das Minus der Länder verringerte sich um 10,3 Milliarden Euro auf 1,3 Milliarden Euro. Das Defizit der Gemeinden erhöhte sich dagegen um 4,7 Milliarden Euro auf 14,2 Milliarden Euro. Die Sozialversicherungen verzeichneten im ersten Halbjahr einen Überschuss von 3,3 Milliarden Euro, nach einer schwarzen Null ein Jahr zuvor.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Myria Mildenberger- Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)