Studie: Deutsche Industrie 22 Prozent teurer als das Ausland

Berlin (Reuters) – Die deutsche Industrie produziert einer Studie zufolge um gut ein Fünftel teurer als ihre ausländischen Konkurrenten.

Die Lohnstückkosten lagen im vergangenen Jahr um 22 Prozent höher als der Schnitt von 27 untersuchten Industriestaaten, wie aus der am Mittwoch veröffentlichten Untersuchung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hervorgeht. Höher sind die Kosten demnach nur in Lettland, Estland und Kroatien. Zugleich punktet Deutschland aber mit einer hohen Produktivität, die unter den großen Industriestaaten nur von den USA übertroffen wird.

“Vor allem die außereuropäische Konkurrenz produziert teilweise deutlich weniger arbeitskostenintensiv als Deutschland”, heißt es in der Studie. “Japan kann mit 24 Prozent und die USA sogar mit 32 Prozent niedrigeren Lohnstückkosten um industrielle Aufträge konkurrieren.” Diese gelten als wichtiges Maß für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit und geben an, wie hoch die Arbeitskosten je Wertschöpfungseinheit sind. Doch auch das Euro-Ausland schneidet hier deutlich besser ab: Dort liegen die Lohnstückkosten um 13 Prozent unter denen von Deutschland.

“SCHRITT FÜR SCHRITT IN DIE DEINDUSTRIALISIERUNG”

“Der Fachkräftemangel treibt die Löhne weiter nach oben”, sagte Studienautor Christoph Schröder voraus. “Die Kosten am Standort Deutschland dürften in den kommenden Jahren weiter steigen.” Die Bundesregierung könne dem entgegentreten. Dazu müsse sie das Wachstum bei den Lohnnebenkosten bremsen und auf die demografische Herausforderung reagieren. “Ohne eine Reform der Sozialsysteme rutscht der Standort Schritt für Schritt in die Deindustrialisierung”, warnte Schröder.

Das Lohnstückkostenniveau der deutschen Industrie ist der Studie zufolge hoch, obwohl auch ihre Produktivität überdurchschnittlich ist. Die der ausländischen Konkurrenz blieb demnach im vergangenen Jahr um fünf Prozent hinter der Deutschlands. Unter den 27 untersuchten Ländern erreicht Deutschland die siebte Position. “Von den großen Industrieländern weisen nur die USA eine höhere Produktivität auf”, so das IW. In den Vereinigten Staaten – die bei Hightech wie Künstlicher Intelligenz führend sind – sei sie allerdings gleich um 44 Prozent höher.

“Wie die hohen deutschen Lohnstückkosten belegen, war das Produktivitätsniveau bei Weitem nicht hoch genug, um den Nachteil der in Deutschland hohen Arbeitskosten auszugleichen”, so das IW. So belege das Verarbeitende Gewerbe im Arbeitskosten-Ranking den dritten Platz. Lediglich in Dänemark und Belgien sind die industriellen Arbeitskosten demnach höher als hierzulande. “Sowohl die ausländische Konkurrenz insgesamt als auch das Euro-Ausland können mit einem Arbeitskostenvorteil von rund einem Viertel produzieren”, betonte das IW.

UNTERNEHMEN KÖNNEN SELTENER PREISE DIKTIEREN

Zumindest seien die Lohnstückkosten seit 2018 mit 18 Prozent schwächer gewachsen als im Ausland (20 Prozent). “Doch während die Bruttowertschöpfung dort im Schnitt um sechs Prozent gewachsen ist, ging sie in Deutschland um drei Prozent zurück”, fand das arbeitgebernahe Institut heraus. “Das heißt: Die deutschen Industriefirmen konnten trotz unterdurchschnittlicher Preisentwicklung weniger Produkte absetzen.” Viele deutsche Unternehmen hätten ihren Technologievorsprung verloren – vor allem gegenüber der chinesischen Konkurrenz. Sie könnten dadurch seltener die Preise diktieren. Die hohen Standortkosten würden deshalb zum Nachteil, heißt es in der Studie.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Sabine Ehrhardt – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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