(neu: Auswärtiges Amt, Pistorius)
Berlin (Reuters) – Russland spioniert Medienberichten zufolge in Deutschland und anderen europäischen Staaten systematisch militärische Transportrouten aus, um Waffenlieferungen in die Ukraine zu überwachen.
Das berichteten die “New York Times” und die “Wirtschaftswoche” unter Berufung auf westliche Nachrichtendienste am Donnerstag. “Westliche Dienste gehen davon aus, dass Russland gut informiert ist, welche Rüstungs- und Mischkonzerne für die Ukraine produzieren, und wie relevant die Produkte und die Menge der Waffen für den Verteidigungskrieg des Landes sind”, schreibt die “Wirtschaftswoche”.
Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es dazu: “Die von Russland ausgehende Bedrohung für die europäische Sicherheit, zuvorderst durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine, aber auch durch eine Vielzahl anderer Maßnahmen hybrider Natur, nehmen wir sehr ernst.” Die Berichte über mutmaßliche Drohnensichtungen seien dem Ministerium bekannt. “Wir beobachten die aktuellen Entwicklungen sehr genau”, hieß es weiter. “Wir sind dazu auch in regelmäßigem Austausch mit unseren Alliierten und der Nato.” Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sagte, “dass Drohnen auch über den Häfen, über den Eisenbahnanlagen unterwegs sind, dürfte niemanden überraschen. Es gibt aber nicht so furchtbar viel Handhabe dagegen.”
“SOGAR MORDANSCHLÄGE”
Der Kreml wies die Berichte als falsch zurück. Es sei schwer vorstellbar, dass die Deutschen dies nicht bemerkt und dazu geschwiegen hätten, sagte der Sprecher des russischen Präsidialamts, Dmitri Peskow. Nato-Generalsekretär Mark Rutte wollte sich zu den Berichten konkret nicht äußern. Am Rande einer Veranstaltung in Würzburg sagte er aber, Russland sei zu hybrider Kriegsführung fähig. “Wenn es aus ihrer Sicht notwendig ist, können sie sogar Mordanschläge verüben.” Zudem versuche Russland, den zivilen Luftverkehr wie etwa in Deutschland und im Baltikum zu stören. Die Bundesregierung reagierte zunächst nicht auf Anfragen zu Stellungnahmen.
Den Berichten zufolge kundschaften russische Drohnen auch Militärstützpunkte aus. So würden Bundeswehrstandorte überflogen – auch jene, in denen ukrainische Soldaten ausgebildet würden. US-Militärstützpunkte stünden ebenfalls auf der Spähliste, Ramstein in Rheinland-Pfalz, Standorte bei Wiesbaden, Stuttgart und in Bayern. Von Spionage betroffen sei auch die AWACS-Basis der Nato in Geilenkirchen. Die Überflüge seien im laufenden Jahr deutlich dreistellig, berichteten demnach Geheimdienstler. Die Bundeswehr bestätigte der “Wirtschaftswoche” die Drohnenüberflüge und sprach demnach von einem deutlichen Anstieg seit der russischen Vollinvasion in der Ukraine im Februar 2022. Die konkreten Zahlen seien nicht kommentiert worden.
(Bericht von Alexander Ratz; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)