– von Reinhard Becker und Rene Wagner und Klaus Lauer
Berlin (Reuters) – Nach zwei Jahren Rezession wird die deutsche Wirtschaft laut führenden deutschen Forschungsinstituten auch 2025 kaum wachsen und erst nächstes Jahr anspringen.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde in diesem Jahr nur um 0,2 Prozent und 2026 um 1,3 Prozent wachsen, heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten Herbstprognose des Münchner Ifo-Instituts, das damit seine Schätzung vom Juni stutzte. Damals hatte es noch 0,3 und 1,5 Prozent veranschlagt. Erst 2027 soll dann in einem kräftigeren Aufschwung ein Plus von 1,6 Prozent herausspringen. “Die Finanzpolitik könnte die Wirtschaft aus der Krise hieven”, heißt es in der Prognose. Ihre Hoffnung setzen die Forscher dabei auf Impulse durch die geplanten wirtschaftspolitischen Maßnahmen der schwarz-roten Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz.
Dabei wird unterstellt, dass die Vorhaben mit Blick auf eine Modernisierung der Infrastruktur und verstärkte Verteidigung entschlossen umgesetzt werden. “Diese Maßnahmen dürften ihre Wirkung vor allem ab dem kommenden Jahr entfalten”, so die Münchner Forscher um Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Das sieht auch das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ähnlich: “Erst für das Jahr 2026 stehen die Chancen gut, dass finanzpolitische Impulse zusammen mit niedrigen Leitzinsen eine konjunkturelle Belebung bewirken”, teilten die Forscher aus Sachsen-Anhalt mit. Nach ihrer Prognose dürfte die Produktion dann um 0,8 Prozent zunehmen, nach 0,2 Prozent im Jahr 2025.
Auch das Essener Institut RWI veranschlagt ein Plus beim BIP von 0,2 Prozent für das laufende Jahr. Das Kieler IfW erwartet hingegen nur ein minimales Wachstum von 0,1 Prozent. “Die deutsche Wirtschaft wartet auf Impulse”, so die Forscher: “Die Kräfte für einen selbsttragenden Aufschwung bleiben schwach.” Die Konjunkturindikatoren hätten sich zwar stabilisiert, während sich die Geschäftsaussichten in Erwartung staatlicher Ausgabensteigerungen sogar recht deutlich verbesserten. “Viel mehr als eine Seitwärtsbewegung der Wirtschaftsleistung zeichnet sich bis zum Jahresende jedoch nicht ab, zumal die US-Zollpolitik belastet”, hieß es. Die hohen Zölle verteuern deutsche Waren beim wichtigsten Exportkunden USA.
Sollten die Wachstumsprognosen für 2025 zutreffen, würde zumindest die lange wirtschaftliche Durststrecke beendet, die Deutschland mit zwei Rezessionsjahren in Folge durchmachte. Die hiesige Wirtschaft war auch im zweiten Quartal geschrumpft – und zwar um 0,3 Prozent, nachdem sie zu Jahresbeginn im selben Tempo gewachsen war.
“Die US-Zölle belasten die deutsche Wirtschaft nach wie vor spürbar”, sagte Ifo-Konjunkturchef Wollmershäuser. Von der Einigung im Zollstreit zwischen den USA und der EU seien keine unmittelbaren Effekte zu erwarten, da die effektiven Zollsätze weitgehend dieselben seien wie im Sommer. “Lediglich die mit dem bisherigen Zollstreit verbundene Unsicherheit dürfte allmählich zurückgehen, was die Konjunktur stützt”, sagte Wollmershäuser. Die USA sind der wichtigste Abnehmer von Waren “Made In Germany”. Für Lieferungen werden für die meisten Güter Zölle von 15 Prozent verlangt.
IFO MAHNT REGIERUNG ZU WEITEREN REFORMEN
Im Vergleich zur vorherigen Prognose gehen die Ifo-Konjunkturforscher von geringeren Impulsen durch die geplanten wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung aus. Sie dürften im laufenden Jahr nur bei neun Milliarden Euro liegen und erst 2026 und 2027 auf 38 bzw. 19 Milliarden Euro steigen.
Neben höheren Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung zählen zu den Maßnahmen unter anderem beschleunigte Abschreibungsmöglichkeiten, die Senkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie und der Stromsteuer für das Produzierende Gewerbe, reduzierte Netzentgelte sowie die Erhöhung der Pendlerpauschale.
Die Essener RWI-Forscher warnen allerdings davor, sich beim Wirtschaftswachstum zu sehr auf den Staat zu verlassen: “Das größte Risiko für die deutsche Konjunktur liegt in der aktuellen Abhängigkeit von staatlichen Impulsen selbst”, erklärte das RWI. Verzögere sich der Mittelabfluss aus den Sondervermögen oder blieben die erhofften Multiplikatoreffekte aus, drohe ein noch schwächeres Wachstum. “Gleichzeitig verschärfen sich die strukturellen Wettbewerbsprobleme weiter, je länger sie unbearbeitet bleiben.”
Ifo-Präsident Clemens Fuest fordert die Bundesregierung zugleich zu weiteren Reformen auf. Sie müsse jetzt zeigen, dass sie auch die anspruchsvollen Aufgaben erledigen könne. Andernfalls entfache das schuldenfinanzierte Investitionsprogramm von 500 Milliarden Euro nur ein “konjunkturelles Strohfeuer”.
(Redigiert von Christian Rüttger; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)