Tokio (Reuters) – In Japan hat nach der Rücktrittsankündigung von Ministerpräsident Shigeru Ishiba der Machtkampf um seine Nachfolge begonnen.
Als Erster warf am Montag der frühere Außenminister Toshimitsu Motegi seinen Hut in den Ring. Ishiba hatte am Sonntag nach nur kurzer Amtszeit seinen Rücktritt erklärt, bleibt aber geschäftsführend im Amt, bis die Regierungspartei LDP einen Nachfolger bestimmt hat. “Die LDP befindet sich in der schlimmsten Krise seit ihrer Gründung”, sagte der 69-jährige Motegi bei der Ankündigung seiner Kandidatur für den Vorsitz der Liberaldemokratischen Partei (LDP). “Wir müssen uns schnell vereinen, um unsere ernsten Herausforderungen im In- und Ausland anzugehen und das Land voranzubringen.” Auch Kabinettschef Yoshimasa Hayashi beabsichtigt zu kandidieren, wie aus dem Umfeld des Regierungssprechers verlautete.
Als Favoriten gelten jedoch die LDP-Veteranin Sanae Takaichi und Shinjiro Koizumi, Sohn des früheren Ministerpräsidenten Junichiro Koizumi. Beide haben ihre Kandidatur noch nicht offiziell erklärt, belegten aber bei der letzten Wahl zum Parteivorsitz im September 2024 die Plätze zwei und drei. Die 64-jährige Takaichi wäre die erste Regierungschefin des Landes, der 44-jährige Koizumi der jüngste in der modernen Geschichte Japans. “Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass es auf einen Zweikampf zwischen ihnen hinauslaufen wird”, sagte Jeffrey Hall, Dozent für Japanstudien an der Kanda-Universität für Internationale Studien.
Der Parteichef der LDP wird in der Regel auch Regierungschef. Der neue Parteichef soll nach Informationen aus Parteikreisen am 4. Oktober gewählt werden. Die LDP stellte die meiste Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Regierung oder war an ihr beteiligt.
Amtsinhaber Ishiba war unter Druck geraten, nachdem die Koalition unter seiner Führung bei Wahlen zu beiden Parlamentskammern ihre Mehrheiten verloren hatte. Hintergrund ist der Unmut in der Bevölkerung über gestiegene Lebenshaltungskosten.
Von großer Bedeutung für Investoren und die diplomatischen Beziehungen Japans wäre eine Wahl von Takaichi. Sie ist bekannt als Befürworterin einer expansiven Fiskalpolitik und fordert höhere Staatsausgaben zur Ankurbelung der Konjunktur. Zudem lehnt sie Zinserhöhungen der japanischen Notenbank ab. An den Geldmärkten wird die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung durch die Bank von Japan bis Ende Oktober nur noch auf etwa 20 Prozent geschätzt, nach 46 Prozent vor einer Woche.
Die erwartete Kandidatur der Nationalkonservativen Takaichi wird auch von China genau beobachtet. Sie ist eine regelmäßige Besucherin des Yasukuni-Schreins, der von China und anderen als Symbol des früheren Militarismus angesehen wird. Zudem besuchte Takaichi Anfang des Jahres Taiwan und schlug dort vor, dass die von China beanspruchte Insel, Japan und andere Partner eine Art Sicherheitsallianz bilden könnten.
(Bericht von Kaori Kaneko, Rocky Swift, Kantaro Komiya, Yoshifumi Takemoto und Tom Bateman, geschrieben von Hans Busemann, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)