Berlin (Reuters) – Der neue BND-Präsident Martin Jäger hat eine offensivere Politik des deutschen Auslandsgeheimdienstes angekündigt.
“Wir werden unsere Gegner konfrontieren, wo immer das möglich ist”, sagte der bisherige Botschafter in der Ukraine am Donnerstag bei der Amtsübergabe im Beisein von Kanzler Friedrich Merz. “Wir werden kontrolliert und konsequent höhere Risiken eingehen, um besseren Zugang zu Wissen zu eröffnen und die Interessen unseres Landes besser zu schützen.” Merz hatte zuvor in seiner Rede in der BND-Zentrale betont, man wolle die Fähigkeiten des Geheimdienstes ausbauen: “Wir brauchen den Wissensvorsprung, denn nur ein gut aufgestellter ziviler, militärischer und technischer Auslandsnachrichtendienst uns verlässlich schaffen kann.”
Der BND hatte bereits unter dem bisherigen Präsidenten Bruno Kahl eine deutlich aktivere Rolle eingenommen. Der BND sei aus einer “Schmuddelecke” gekommen, in die er lange eingestuft worden sei, sagte Kahl, der nun deutscher Botschafter beim Vatikan wird. Ungewöhnlicherweise kündigte sein Nachfolger offen an, dass er bereits kommende Woche nach Frankreich, Polen und Litauen reisen werde. Dann stünden Reisen nach Großbritannien, Israel, in arabische Staaten und in die USA an. “Meine Botschaft wird sein: Mit dem BND muss man rechnen”, sagte Jäger. Der BND wolle auf Augenhöhe mit seinen Partnern zusammenarbeiten. Jäger hatte bereits jüngst für Aufsehen gesorgt, als er bei seinem Abschied aus Kiew auf X schrieb: “Der Aggressor Russland wird lernen, dass er anderen seinen Willen nicht aufzwingen kann.”
MERZ WILL “SICHERES, SOUVERÄNES DEUTSCHLAND”
Merz machte in seiner Ansprache klar, dass es angesichts der wachsenden Bedrohung nötig sei, die deutschen Geheimdienste zu stärken. “Es ist die wichtigste Aufgabe dieser Bundesregierung, neue Grundlagen für ein sicheres, souveränes Deutschland zu schaffen. Grundlagen, die für Jahrzehnte tragen.” Das setze einen “außen- und sicherheitspolitischen Paradigmenwechsel” voraus. Die ersten Weichen dafür seien schon gestellt. Deshalb gebe es einen Nationalen Sicherheitsrat, deshalb habe man den Deckel für Verteidigungsausgaben entfernt. Aber die Dienste müssten in ihren Möglichkeiten auch gesetzlich gestärkt werden.
Man habe bereits “sehr, sehr gute” Sicherheitsbehörden. “Aber unsere Souveränität in Deutschland und in Europa hängt nicht zuletzt daran, dass wir noch besser werden”, so Merz. Angesichts der neuen Verantwortung als wirtschaftlich stärkster Staat in Europa sei der Anspruch: “Wir wollen, dass der BND nachrichtendienstlich auf dem allerhöchsten Niveau mitspielt.” Seine Bemerkung mit der deutschen Souveränität dürfte vor allem darauf zielen, dass eine Zusammenarbeit mit den USA unter US-Präsident Donald Trump unsicherer geworden ist.
Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 habe der BND sich schon für eine neue sicherheitspolitische Epoche aufgestellt, lobte Merz. Dies sei auch nötig, weil Deutschland inzwischen täglich hybriden Angriffen gegen Infrastruktur sowie Sabotageakten, Spionage und Desinformationskampagnen ausgesetzt sei. “Wir haben wieder Systemrivalen und Gegner – und sie gehen immer aggressiver vor”, mahnte der Kanzler mit Blick auf Russland und China. “Selten in der bundesrepublikanischen Geschichte war die sicherheitspolitische Lage so ernst.” Die Fundamente der europäischen Sicherheitsarchitektur seien brüchig geworden.
Der BND ist anders als viele andere Auslandsgeheimdienste in seiner Tätigkeit auf Aufklärung beschränkt. Direkte Aktionen bis hin zu Tötungen, wie dies bei einigen anderen Diensten möglich ist, sind ihm untersagt. In Deutschland gibt es zudem eine enge Aufsicht im Bundestag durch das Parlamentarische Kontrollgremium. Jäger dankte Merz und der schwarz-roten Koalition: Es habe noch nie so eine starke Unterstützung für den Geheimdienst gegeben. Sein Vorgänger Kahl sagte, kein Kanzler seit Gerhard Schröder habe den BND so früh in seiner Amtszeit besucht wie Merz.
(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)