Wien (Reuters) -Die Europäische Zentralbank (EZB) muss nach den Worten von Österreichs Notenbankchef und Ratsmitglied Martin Kocher eine längerfristige Divergenz der Inflationsraten in der Eurozone verhindern. Für die EZB zähle zwar die durchschnittliche Inflationsrate, es sei aber wichtig, “dass die Inflationsraten in Europa längerfristig nicht auseinanderlaufen”, sagte er der Tageszeitung “Die Presse” (Montagausgabe). Der Abstand der anhaltend hohen Inflation in seinem Land zum Rest der Währungsunion sei “besorgniserregend”, sagte Kocher den “Oberösterreichischen Nachrichten”. Dieser belaste die Konsumenten und schwäche die Wettbewerbsfähigkeit. Staatliche Preiseingriffe lehnte Kocher ab.
Die österreichische Wirtschaft stagniert bei gleichzeitig hoher Inflation. Als einen Grund dafür nannte Kocher die schwache Weltwirtschaft und insbesondere die Konjunktur in Deutschland, die der exportorientierten Industrie zusetze. Ein weiterer Grund für die maue Binnennachfrage sei die hohe Sparquote. Die Menschen sorgten wegen der unsicheren Lage vor, sagte Kocher. Zudem hätten die Preise in der Phase der sehr hohen Inflation für viele eine “psychologische Schwelle” überschritten, weshalb weniger konsumiert werde.
Als Haupttreiber der Inflation in Österreich nannte Kocher den Dienstleistungsbereich sowie den Energiesektor. Für das laufende Jahr erwartet die Österreichische Nationalbank eine Teuerungsrate von 3,5 Prozent, für 2026 prognostiziert sie 2,4 Prozent. Den erwarteten Rückgang führte Kocher unter anderem auf das Auslaufen von Energiehilfen Ende 2024 zurück. Dieser sogenannte Basiseffekt werde mit Jahresende wegfallen, sagte er. Dennoch werde es weiter einen Preisunterschied zur Eurozone geben, der abgebaut werden müsse.
Zum zuletzt gestiegenen Euro-Kurs zum Dollar äußerte sich Kocher differenziert. Einerseits mache der stärkere Euro die Exporte weniger wettbewerbsfähig. Andererseits wirke er dämpfend auf die Inflation, da Importe wie Erdöl und Erdgas günstiger würden. “Im Moment würde ich den Wechselkurs noch nicht als Risiko bezeichnen”, sagte Kocher. Setze sich die Entwicklung jedoch fort, könnte es für die Exportindustrie problematisch werden.
Zudem sprach sich Kocher für die Einführung eines digitalen Euro aus, auf den sich die EZB und die nationalen Notenbanken vorbereiteten. “Wir sind beim bargeldlosen Zahlungsverkehr sehr stark von US-Zahlungsdienstleistern abhängig”, erklärte er. Der digitale Euro sei ein Instrument, um mehr Souveränität zu gewinnen.
(Bericht von Alexandra Schwarz-Goerlich, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)