Panzerbauer Rheinmetall künftig auch zu Wasser unterwegs

Berlin/Düsseldorf (Reuters) – Rheinmetall steigt in den Bau von Kriegsschiffen ein und übernimmt die Militärsparte der Bremer Lürssen-Gruppe.

Man habe sich mit dem traditionsreichen Werftunternehmen auf die Eckpunkte einer Übernahme der Naval Vessels Lürssen (NVL) geeinigt, teilte der bisher vor allem auf Panzer, Waffen und Munition konzentrierte Düsseldorfer Konzern mit. Über den Kaufpreis sei Stillschweigen vereinbart worden. Mit der Übernahme treibt Rheinmetall die seit langem diskutierte Konsolidierung in der Rüstungsbranche voran und erweitert sein Portfolio um den Bau etwa von Fregatten und Korvetten. Die Nachricht trieb die Rheinmetall-Aktien auf ein Rekordhoch von 1949 Euro.

“Künftig werden wir zu Lande, zu Wasser, in der Luft und im Weltraum ein relevanter Akteur sein. Rheinmetall entwickelt sich damit zum Domänen-übergreifenden Systemhaus”, erklärte Rheinmetall-Chef Armin Papperger. NVL habe Aufträge im Volumen von über fünf Milliarden Euro in den Büchern und könne noch zulegen. Der Abschluss der Transaktion wird für Anfang 2026 angestrebt, steht jedoch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Kartellbehörden.

Eine Kapitalerhöhung zur Finanzierung des Deals plane Rheinmetall nicht, sagte Papperger auf einer Telefonkonferenz mit Analysten. Die Finanzierung sei absolut kein Problem. Der Konzern habe viel Geld in der Kasse und verfüge darüber hinaus über Kreditlinien. Erste Synergieeffekte seien 2027 in einer Größenordnung von rund 300 Millionen Euro bezogen auf den operativen Gewinn (Ebitda) möglich.

In der Branche wird seit Jahren über eine Konsolidierung in Deutschland und Europa gesprochen. Einen Durchbruch gab es aber bislang nicht. “Jeder redet mit jedem”, sagten Vertreter der Unternehmen bisher. Insidern zufolge hatte Rheinmetall auch ein Auge auf die Thyssenkrupp-Marinetochter TKMS geworfen – ohne Erfolg. Thyssenkrupp bereitet inzwischen eine Abspaltung und einen Börsengang für den U-Boot- und Kriegsschiffbauer vor. “Der Einstieg von Rheinmetall in den Überwasserbereich des maritimen Sektors und die Übernahme von NVL unterstreichen die strategische Bedeutung und das große Potenzial des gesamten maritimen Verteidigungssektors”, erklärte TKMS am Montag. “Aufgrund der geopolitischen Entwicklungen und neuen sicherheitspolitischen Prioritäten modernisieren Marinen weltweit ihre Flotten und Systeme”. Der für TKMS relevante Markt werde sich bis 2033 voraussichtlich verdoppeln.

RHEINMETALL PROFITIERT VON LÜRSSEN-INFRASTRUKTUR

NVL baut in vier Werften in Wolgast, Hamburg und Wilhelmshaven Marineschiffe und Küstenwachboote – Fregatten, Korvetten, Patrouillenschiffe und Schnellboote. Die Werftengruppe beschäftigt weltweit rund 2100 Mitarbeiter und erzielte im Geschäftsjahr 2024 einen Umsatz von rund einer Milliarde Euro.

Durch die Übernahme könne Rheinmetall die vorhandene Infrastruktur, das Fachwissen der Mitarbeiter und die Ausrüstungsmöglichkeiten nutzen, beschrieben die Düsseldorfer die Vorteile des Deals. Im Fahrzeugbereich könnten Kapazitätsreserven für die Zukunft geschaffen werden. Dadurch könne Rheinmetall übermäßige Infrastrukturinvestitionen oder umfangreiche Umbauten anderer Fertigungsanlagen vermeiden. Rheinmetall erwartet Synergieeffekte mit seiner Panzersparte, die unter anderem Standorte in Kiel und Flensburg unterhält.

“Mit der Übernahme der Marinesparte der traditionsreichen Familie Lürssen steigt das Unternehmen in die Marineschifffahrt ein und fügt dem aktuell sehr erfolgreichen Geschäftsverlauf und -ausblick ein weiteres Kapitel hinzu”, kommentierte RoboMarkets-Stratege Jürgen Molnar. Die Analysten von Jefferies schätzen den schuldenfreien Kaufpreis auf 1,5 bis 2 Milliarden Euro. NVL fahre zweistellige Margen ein.

NVL habe einen vertrauensvollen und starken Partner gefunden, der dem Unternehmen und den Mitarbeitern eine erfolgreiche Zukunft sichern könne, sagte der geschäftsführende Gesellschafter von Lürssen Maritime Beteiligungen, Friedrich Lürßen. NVL ist die frühere Militärsparte Lürssen Defence und wurde 2021 von der Yacht-Sparte getrennt. “Es bleiben für die Beschäftigten und Arbeitnehmervertretungen viele Fragen offen”, mahnte der Chef der IG Metall Küste, Daniel Friedrich. Es fehle beispielsweise ein industriepolitisches Konzept. Rheinmetall und Lürssen müssten schnell für Transparenz sorgen und den Beschäftigten die Unsicherheit nehmen.

(Bericht von Hans Busemann, Tom Käckenhoff und Christoph Steitz; Mitarbeit von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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