München (Reuters) – Der weltgrößte Prothesenhersteller Ottobock plant für den Herbst einen voraussichtlich milliardenschweren Börsengang in Frankfurt.
Das Familienunternehmen aus dem niedersächsischen Duderstadt machte seine Pläne, über die seit längerem spekuliert worden war, am Montag offiziell. “Der geplante Börsengang wird es Ottobock ermöglichen, noch stärker in neue Technologien zu investieren, seine globale Präsenz auszubauen und weiterhin neue Maßstäbe in Human Bionics zu setzen”, sagte Vorstandschef Oliver Jakobi. In der Regel dauert es knapp vier Wochen vom Startschuss bis zur Erstnotiz. Damit wäre Ottobock die erste Neuemission im streng geregelten Prime Standard der Deutschen Börse in diesem Jahr.
Insidern zufolge peilt die Eigentümerfamilie Näder eine Bewertung von mehr als sechs Milliarden Euro an. Sie könnte 25 bis 30 Prozent ihrer Aktien abgeben, möglicherweise einen Teil davon aber erst nach dem Börsengang. “Der geplante Börsengang ist ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg und gibt uns zusätzliche strategische und finanzielle Flexibilität”, sagte Mehrheitsgesellschafter Hans-Georg Näder. Die Familie wolle die Mehrheit behalten. Von ihr kommt der Löwenanteil der zum Verkauf stehenden Aktien.
Sie hat ein großes Interesse an dem Börsengang. Ottobock war erst 2024 wieder vollständig in Familienbesitz gekommen. Der schwedische Finanzinvestor EQT verkaufte damals seine Minderheitsbeteiligung von 20 Prozent nach sieben Jahren an die Familie zurück. Diese finanzierte den Rückkauf mit teuren Krediten, mit dem Börsengang könnte die Familie diese tilgen.
Zudem sollen neue Aktien für 100 Millionen Euro ausgegeben werden, der Erlös daraus kommt dem Unternehmen zugute. Das Geld könnte in die Tilgung von Schulden oder in weitere Zukäufe fließen. Organisiert wird der Börsengang federführend von den Investmentbanken BNP Paribas, Deutsche Bank und Goldman Sachs.
Ottobock ist das erste deutsche Unternehmen, das sich nach der Sommerpause mit Börsenplänen an die Öffentlichkeit wagt. Der Pharmahersteller Stada, der ebenfalls als Börsenkandidat gehandelt worden war, wurde Anfang September stattdessen an ein Konsortium um den Finanzinvestor CapVest verkauft. Als Kandidat für einen Börsengang gilt auch der Indexanbieter und Corporate-Governance-Berater ISS Stoxx, der mehrheitlich der Deutschen Börse gehört. Zudem sollen im Herbst zwei Abspaltungen an die Frankfurter Börse kommen: Aumovio, die Autozuliefer-Sparte von Continental, will am Donnerstag ihr Börsendebüt feiern, später folgt die Marine-Sparte von Thyssenkrupp, TKMS.
Ottobock erwirtschaftete im vergangenen Jahr mit weltweit 9300 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,43 Milliarden Euro und ein bereinigtes operatives Ergebnis (Ebitda) von 321 Millionen Euro. Im ersten Halbjahr 2025 stieg der Umsatz um 14 Prozent auf 760 Millionen Euro, das bereinigte Ebitda verbesserte sich um rund ein Drittel auf 175 Millionen Euro.
Finanzvorstand Arne Kreitz wollte sich zu den Aussichten für die nächsten Jahre nicht konkret äußern, verwies aber auf die Wachstumsraten der vergangenen Jahre: Von 2022 bis 2024 sei das Kerngeschäft um elf Prozent gewachsen, im ersten Halbjahr seien es ebenfalls knapp elf Prozent gewesen. Chancen sieht er unter anderem im Geschäft mit sogenannten Exoskeletten, die nicht nur Gelähmte wieder gehen lassen können, sondern auch in der Arbeitswelt eingesetzt werden, etwa wenn es um das Heben schwerer Lasten geht. “Wir haben in der Prothetik nach wie vor unser größtes Geschäft”, sagte Kreitz. “In den neuen Technologiefeldern Neuro-Orthetik, Digital O&P und Exoskelette erwarten wir ein noch stärkeres Wachstum, aber von einer kleineren Ausgangsbasis.”
(Bericht von Alexander Hübner und Ludwig Burger. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)