Jerusalem/Kairo (Reuters) – Israel hat am Dienstag seine lang erwartete Bodenoffensive auf Gaza-Stadt eingeleitet.
“Gaza brennt”, schrieb Verteidigungsminister Israel Katz auf der Online-Plattform X. Die israelischen Streitkräfte “schlagen mit eiserner Faust auf die terroristische Infrastruktur ein, und die IDF-Soldaten kämpfen tapfer, um die Bedingungen für die Freilassung der Geiseln und die Zerschlagung der Hamas zu schaffen”. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, Israel habe einen bedeutenden Einsatz gestartet.
Ein israelischer Militärvertreter sagte, die Armee habe mit der Hauptphase ihree Bodentruppeneinsatzes in dem wichtigsten städtischen Zentrum des Küstenstreifens begonnen. Sie gehe davon aus, dass bis zu 3000 Hamas-Kämpfer in der Stadt seien. Die israelischen Streitkräfte gaben zunächst nur wenige weitere Einzelheiten bekannt, teilten jedoch mit, ihre Truppen hätten mit der “Zerschlagung der terroristischen Infrastruktur der Hamas in der Stadt Gaza” begonnen. Israel hat Hunderttausende von Einwohnern zur Flucht aus dem Gebiet aufgefordert.
Die Pläne für die Offensive waren nicht nur international auf Kritik, sondern offenbar auch innerhalb der israelischen Führung auf Bedenken gestoßen. Generalstabschef Ejal Samir hatte Netanjahu einem Bericht zufolge bei einem Treffen am Sonntagabend noch gedrängt, ein Abkommen für eine Waffenruhe mit der radikal-islamischen Hamas anzustreben. Auch in der israelischen Bevölkerung wuchs der Protest.
Familien von Geiseln versammelten sich am Montagabend vor Netanjahus Haus in Jerusalem. “Der Ministerpräsident hat beschlossen, Soldaten in Gebiete zu schicken, in denen sich unsere Angehörigen aufhalten, die verletzt werden und nicht lebend zurückkehren könnten”, sagte Anat Angrest, deren Sohn unter den Geiseln ist. “Er tut alles, um sicherzustellen, dass es keinen Deal gibt und sie nicht zurückgebracht werden.”
VORWURF GEGEN ISRAELS REGIERUNG
Die verstärkten Angriffe erfolgten nach einem Besuch von US-Außenminister Marco Rubio am Montag in Jerusalem. Rubio sicherte Israel die volle Unterstützung der USA zu und sagte, man müsse auf die Möglichkeit vorbereitet sein, dass es kein diplomatisches Ende des Krieges geben werde. Bei israelischem Beschuss wurden im Gazastreifen nach Angaben lokaler Gesundheitsbehörden und Zeugen am Dienstag mindestens 24 Menschen getötet, die meisten davon in der Stadt Gaza. Netanjahu hatte das Militär im vergangenen Monat angewiesen, die Stadt Gaza einzunehmen, die er als Bastion der Hamas bezeichnet.
Die Hamas hatte im Oktober 2023 Israel angegriffen, wobei nach israelischen Angaben 1200 Menschen getötet und rund 251 Geiseln genommen wurden. Nach Angaben der israelischen Behörden sind von den verbleibenden 48 Geiseln im Gazastreifen noch 20 am Leben. In dem darauffolgenden Militäreinsatz Israels sind nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums bislang mehr als 64.000 Palästinenser getötet worden. Israel kontrolliert bereits etwa 75 Prozent des Gazastreifens.
Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen wirft Israel einen Völkermord im Gazastreifen vor. Hochrangige israelische Regierungsvertreter, darunter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, hätten zu diesen Taten angestiftet, hieß es in dem am Dienstag in Genf veröffentlichten Bericht weiter. “In Gaza findet ein Völkermord statt”, sagte die Leiterin der Untersuchungskommission für die besetzten palästinensischen Gebiete, Navi Pillay. “Die Verantwortung für diese Gräueltaten liegt bei den israelischen Behörden auf höchster Ebene.” Der israelische UN-Botschafter in Genf wies die Darstellungen umgehend zurück.
(Bericht von Steven Scheer und Maayan in Jerusalem; Nidal al-Mughrabi in Kairo; Christian Martinez, Alexander Cornwell, Enas Alashray und Yomna Ehab, geschrieben von Alexander Ratz. redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)