Berlin (Reuters) – In der Bundesregierung herrscht offener Dissens über das Tempo der Energiewende.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) stellte sich am Dienstag hinter Pläne von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), den Ausbau der erneuerbaren Energien an den schleppenden Netzausbau anzupassen. “Wir werden die Ausbauziele leicht zurücknehmen”, sagte Merz auf dem Maschinenbaugipfel des Branchenverbandes VDMA. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) warnte indes davor, bei Solar- und Windkraft auf die Bremse zu treten. “Der Ausbau der Erneuerbaren, der muss uneingeschränkt weitergehen”, sagte der SPD-Chef dem Sender “Phoenix”. “An der Stelle werden wir nicht zulassen, dass abgebremst wird.”
Man könne sich nicht mehr leisten, so weiterzumachen wie bisher, “auf gut Glück alles abzuschalten in der Hoffnung, dass wir irgendwann mal aus Wind und Sonne die notwendige Energie beziehen”, sagte dagegen der Kanzler beim VDMA. “Wir bauen jetzt erst zu, wir schalten jetzt erst ein, bevor wir weiter abschalten.” Er nannte einen Dreiklang an Zielen: Energieversorgungssicherheit, preisgünstige und umweltschonende Energieversorgung.
Auslöser sind Äußerungen von Wirtschaftsministerin Reiche vom Montag. Sie hatte einen Monitoring-Bericht zur Energiewende vorgestellt, demzufolge der Stromverbrauch bis 2030 voraussichtlich geringer zulegen wird als bisher angenommen. Das gesetzlich festgelegte Ziel eines Ökostrom-Anteils von 80 Prozent am Bruttostromverbrauch lasse sich daher auch mit einem langsameren Ausbau der Eneuerbaren erreichen. Reiche forderte eine Neuausrichtung der Energiepolitik mit Fokus auf Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit. Am Ziel der Klimaneutralität bis 2045 und dem 80-Prozent-Ziel für 2030 will sie jedoch festhalten.
Merz mahnte zudem, man brauche jetzt sehr schnell grundlastfähige Gaskraftwerke. Reiche hatte angekündigt, dass erste Ausschreibungen bis Ende des Jahres erfolgen sollen. Für die Kraftwerke sind nach früheren Plänen Milliardenförderungen vorgesehen. Es gebe von der EU-Kommission erste Hinweise, dass Anträge für neue Gaskraftwerke bald genehmigt würden, erklärte Merz.
(Bericht von Holger Hansen und Andreas Rinke, redigiert von Kerstin Dörr Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)