London (Reuters) – Angesichts der hartnäckig hohen Inflation in Großbritannien scheut die Notenbank vor einer erneuten Zinssenkung zurück.
Die Währungshüter beließen den Schlüsselsatz am Donnerstag bei 4,00 Prozent. Die Entscheidung im geldpolitischen Ausschuss (MPC) der Bank of England (BoE) war intern allerdings umstritten: Sie fiel mit sieben zu zwei Stimmen. Die Währungshüter Swati Dhingra und Alan Taylor stimmten für eine Senkung. Die BoE wagte nach der geldpolitischen Lockerung im August nun keinen weiteren Schritt nach unten, auch weil der Preisauftrieb weiter hoch ist: “Wir gehen zwar davon aus, dass die Inflation wieder unser Zwei-Prozent-Ziel erreicht, aber wir sind noch nicht über den Berg. Alle künftigen Senkungen müssen daher schrittweise und vorsichtig erfolgen”, sagte Zentralbankchef Andrew Bailey.
Im August hatten die Währungshüter mit hauchdünner Mehrheit für eine Zinssenkung gestimmt. Es war die fünfte geldpolitische Lockerung binnen eines Jahres. “Wir gehen davon aus, dass der Zinssenkungsprozess noch nicht beendet ist”, so die Einschätzung von Helaba-Experte Ralf Umlauf nach dem aktuellen Zinsentscheid. Auch LBBW-Experte Dirk Chlench erwartet, dass noch ein Lockerungsschritt kommen wird: “Angesichts der hohen Inflationsrate, insbesondere für Nahrungsmittel, veranschlagen wir die nächste BOE-Leitzinssenkung jedoch erst für Dezember, die letzte Sitzung in diesem Jahr.”
Die BoE ist mit einer Teuerungsrate von zuletzt 3,8 Prozent konfrontiert – die höchste unter den großen westlichen Industrienationen (G7). Die Inflation liegt fast doppelt so hoch, wie der von der Zentralbank angestrebte Wert von 2,0 Prozent. Die Währungshüter warten nun auf Anzeichen, dass der vom Arbeitsmarkt ausgehende Preisdruck deutlich nachlässt. Sie achten dabei besonders auf das Lohnwachstum: Es verlangsamte sich zuletzt zwar etwas, blieb im Juli aber mit 4,8 Prozent bei den Grundgehältern zu hoch für die Notenbank.
Die BoE behielt ihre Prognose bei, dass die Inflation im laufenden Monat mit vier Prozent ihren Höhepunkt erreichen und bis zum zweiten Quartal 2027 langsam auf den angepeilten Zielwert zurückgehen wird. Zugleich erhöhte die Notenbank ihre Wachstumsprognose für das dritte Quartal auf 0,4 von 0,3 Prozent. Offizielle Daten zeichneten jüngst ein sich eintrübendes Konjunkturbild: Demnach ist die Wirtschaft in den drei Monaten bis Juli lediglich um 0,2 Prozent gewachsen.
BOE SCHRUMPFT BILANZSUMME LANGSAMER
Der MPC entschied nun auch per Mehrheitsbeschluss, den BoE-Bestand an britischen Staatsanleihen nicht mehr so schnell abzuschmelzen wie bisher. Statt um 100 Milliarden Pfund (rund 115,2 Milliarden Euro) pro Jahr soll er künftig nur noch um 70 Milliarden Pfund verringert werden. “Das neue Ziel bedeutet, dass der MPC die Bilanzsumme der Zentralbank im Einklang mit seinen geldpolitischen Zielen weiter reduzieren und gleichzeitig die Auswirkungen der Marktbedingungen für Staatsanleihen minimieren kann”, erläuterte Bailey.
Die Reduzierung ist die erste, seit die BoE 2022 mit dem Abschmelzen ihrer Staatsanleihenbestände begonnen hat. Zuvor hatte sie zwischen 2009 und 2021 Anleihen im Wert von 875 Milliarden Pfund gekauft, um die Wirtschaft anzukurbeln. Die BoE geht zwar davon aus, dass das Tempo des im Fachjargon als quantitative Straffung bekannten Abbaus des Anleiheportfolios nur geringe Auswirkungen auf die Wirtschaft haben wird. Dennoch wird die jährliche Entscheidung der BoE über ihre Anleiheverkäufe von den Finanzmärkten aufmerksam beobachtet – zumal es zuletzt verstärkt zu Schwankungen am Anleihemarkt gekommen ist: Die Renditen für langlaufende Staatsanleihen erreichten zu Beginn des Monats ihren höchsten Stand seit 1998.
(Bericht von David Milliken, Suban Abdulla, geschrieben von Reinhard Becker, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)